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Caras Schatten

Caras Schatten

Titel: Caras Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Woods
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putzte, betrachtete sie ihr Gesicht im Spiegel. Irgendwie hatte sie das Gefühl, sie müsste jetzt anders aussehen. Dieses Gesicht gehörte einer Person, die mit Ethan Gray nach Hause gegangen war. Und sie hatte sogar einen echten Draht zu ihm gehabt – das spürte sie ganz einfach.
    Cara entblößte ihre Zähne, sodass ihr der Zahnpastaschaum über die Lippen lief. Sie waren weiß und gerade, dank drei Jahren Zahnspange. Sie drehte ihren Kopf langsam von links nach rechts. Normalerweise ging sie Spiegeln immer aus dem Weg. Aber heute Abend fand sie sich beinahe hübsch. Ihr neues kurzes Haar fiel ihr locker ums Gesicht, und ihre Wangen waren von der Aufregung und Kälte leicht gerötet. Ihre weit geöffneten Augen funkelten. Sie konnte sich fast, fast vorstellen, dass Ethan auf ein Mädchen wie sie stehen könnte.
    Cara spülte ihre Zahnbürste aus und betätigte den Lichtschalter, sodass der Raum im Dunkeln versank. Dann schlüpfte sie aus ihrem knittrigen schwarzen Kleid, warf sich auf ihr Bett und zog sich die weiche alte Baumwolldecke über die Schultern. Während sie der süße Schlaf übermannte, hoffte sie, Zoe würde vorsichtig sein, wo auch immer sie gerade stecken mochte.
    Cara träumte. Eine zehnjährige Zoe schwebte vor ihr her. Ihr langes schwarzes Haar wurde von einem Stirnband zurückgehalten, das ihre hohe weiße Stirn betonte. Sie hielt eine Dose in der Hand, auf der ein blaues Nagetier abgebildet war. Cara verspürte ein seltsames Gefühl in der Magengrube, eine Mischung aus Erregung und Entsetzen. Sie wusste, was als Nächstes passieren würde, aber sie konnte es nicht verhindern. Sie musste zusehen, bis der Traum vorbei war.
    Cara blickte an sich selbst herunter. Sie trug ihre Jeansshorts und ein gelbes T-Shirt – ihre Lieblingsklamotten in der fünften Klasse. Ihre Füße steckten in Ledersandalen, die sie in jenem Jahr endlos getragen hatte. Die rechte Schnalle war immer schon kaputt gewesen. Ringsum erstreckte sich Zoes alter Hinterhof in leuchtendem Technicolor. Das Gras war knallgrün, der Himmel strahlte in grellem Saphirblau. Wie eine Pantomimin schüttelte Zoe die blaue Dose direkt vor ihren Augen. Cara spürte, wie sie nickte, obwohl ihre innere Stimme laut schrie: »Warte!«
    Langsam traten Zoe und sie an den kaputten Maschendrahtzaun. Der Schäferhund ihrer Nachbarn war heute angekettet. Er sprang auf und zerrte an seinem Halsband, wütend und tonlos bellend. Ihr Traum-Ich betastete den Verband an ihrem Arm. Sie dachte an all das Blut, das aus der Bisswunde gequollen war, und plötzlich wurde ihr Herz von einer glühenden Wut erfasst. Begeistert sah sie zu, wie Zoe die blauen Kristalle in eine Dose Hundefutter streute. Auf der feuchten braunen Oberfläche funkelten die giftigen Körner wie seltene Edelsteine. Zoe rührte sie mit einem Stöckchen unter und hielt Cara die Dose hin. Ihr Gesichtsausdruck wirkte entsetzlich übereifrig. Cara sah, wie ihre eigene Hand die Dose entgegennahm. Sie schob sie unter dem Zaun hindurch und hockte sich neben Zoe. Der Hund war auf der Stelle abgelenkt und stürzte sich kauend und schleckend auf das Futter, bis nichts mehr davon übrig war außer einer glänzend sauberen Dose.
    Zoe packte Caras Arm und zeigte auf den Hund. Seine Hinterläufe fingen bereits an zu zittern. Die Mädchen blieben in der Hocke sitzen, die Arme um die Knie geschlungen, und sahen zu, wie sich die Zuckungen über seinen Rücken bis in die Vorderläufe und in seinen Kopf ausbreiteten. Er taumelte über den Hof, als würden ihm seine Beine nicht länger gehören. Dann riss ihn die Kette abrupt zurück, und er fiel mit einem dumpfen Geräusch zu Boden. Sein Maul stand offen. Schaum lief ihm über die Zunge. Seine Beine strampelten hilflos gegen den Boden und entwurzelten ganze Grasbüschel.
    Zoe starrte den Hund mit leuchtenden Augen an. Cara starrte Zoe an.
    Abrupt wachte sie auf und schnappte nach Luft. Sie saß senkrecht im Bett, schweißgebadet. Ihr Blick ging zur Uhr auf dem Nachttisch: 03 : 47 . Mit einem zittrigen Seufzer ließ Cara sich zurück in die Kissen sinken. Es war derselbe alte Traum. Sie hatte seit Jahren nicht mehr an diesen Hund gedacht. Doch nach seiner Vergiftung hatte sie wochenlang davon geträumt.
    Cara legte einen Arm übers Gesicht und versuchte ihren hämmernden Herzschlag zu beruhigen. Erst in diesem Moment wurde ihr bewusst, dass jemand neben ihr im Bett lag. Sie zuckte erschrocken zusammen und unterdrückte einen Schrei, ehe sie begriff, dass es

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