Caras Schatten
weiterbohren.«
»Nein, nein. Ist schon okay.« Cara widerstand dem Drang, ihre Arme wie ein Schutzschild vor der Brust zu verschränken. Sie seufzte. »Ich fühle mich nur irgendwie total fehl am Platz. Es ist so ähnlich wie das, was du vorhin beschrieben hast, wie es dir in der Mittelstufe ergangen ist. Nur, dass es bei mir noch andauert. Ich habe ständig das Gefühl, dass mich alle beobachten, und ich weiß nicht, was ich tun oder sagen soll. Es ist irgendwie leichter, sich aus allem rauszuhalten.« Cara konnte kaum glauben, dass sie Ethan einfach so ihr Herz ausschüttete. Es kam ihr fast so vor, als hätte die Ruhe der Nacht einen anderen Menschen aus ihr gemacht. Sie lachte leise in sich hinein.
»Was?« Ethan lächelte ein wenig.
Cara schüttelte den Kopf. »Nichts. Ich hab das nur noch nie jemandem erzählt. Ich glaube, ich hab’s mir nicht mal selbst eingestanden. Aber – ich weiß nicht – die Dinge haben sich irgendwie verändert. Ich habe … endlich wieder Kontakt zu einer alten Freundin, Zoe. Bevor wir hierhergezogen sind, war sie meine beste Freundin. Sie ist einer dieser Menschen, die einen irgendwie dazu bringen, dass man sich plötzlich total seltsam benimmt. Weißt du, was ich meine?« Sie sah ihr Haus am Ende des Blocks aufragen. Die Eingangsbeleuchtung war eingeschaltet, und die Autos ihrer Eltern standen in der Einfahrt.
Ethan lachte. »Ja, ich bin definitiv schon solchen Leuten begegnet.« Seine Hand sank herab und streifte leicht ihren Handrücken. Die unerwartete Berührung wärmte sie bis in die Knochen.
»Das da ist unser Haus.«
»Nicht übel«, sagte Ethan. »Jetzt, wo ich weiß, dass du hier wohnst, kann ich dich jederzeit belästigen.« Er grinste.
»Mach das.« Hatte Ethan Gray gerade angedeutet, dass er mal bei ihr vorbeikommen würde? Passierte das alles wirklich? Vielleicht hatte ihr auf Sarits Party jemand etwas in den Drink gekippt, das Halluzinationen verursachte. Wenn ja, waren dies die besten Halluzinationen aller Zeiten.
Ethan blieb am Fuß ihrer Einfahrt stehen, die Hände in den Taschen vergraben, und wartete, bis Cara die Haustür aufgeschlossen hatte. Sie drehte sich noch einmal um und winkte, ehe sie hineinging und die Tür hinter sich zumachte.
Im Haus war es dunkel und still. Ihre Eltern waren vermutlich schon im Bett. Cara schwebte die Treppe hinauf. Hoffentlich war Zoe noch wach. Sie konnte es gar nicht abwarten, ihr alles zu erzählen. Von Ethan, nicht von Alexis. Seltsam, dass ein einziger Abend so genial und so schrecklich zugleich sein konnte.
An ihrem Zimmer angekommen, öffnete sie die Tür ganz leise, für den Fall, dass Zoe schon im Bett war. Das Licht war ausgeschaltet, doch im Halbdunkel der Flurbeleuchtung konnte sie die zerwühlten Laken erkennen. Das Bett war leer.
»Süße, ich bin wieder da!«, sagte Cara sanft. Sie machte die Tür zu und sah sich um. »Zoe?« Cara ging ins Badezimmer in der Erwartung, Zoe vor dem vollgepackten Waschbecken zu finden. Doch das Badezimmer war leer, der rosa gepunktete Duschvorhang zur Seite geschoben. Cara hockte sich hin und fühlte an der Badematte, die verknittert am Boden lag. Sie war feucht.
»Zoe?«, fragte Cara erneut. Keine Antwort. Sie blieb mitten im Zimmer stehen und blickte sich hilflos um, während leise Panik in ihr aufstieg. »Zoe?« Ihre Stimme bebte wie die eines kleinen Mädchens, das sich im Dunkeln verirrt hat.
Sie setzte sich auf die Bettkante und atmete tief durch. Vielleicht war ihre Reaktion ein wenig übertrieben. Immerhin hatte Zoe selbst gesagt, dass sie allmählich zappelig wurde. Vielleicht war sie einfach nur zur Scheune gegangen. Eine winzige Welle der Erleichterung rollte über Cara hinweg. Das musste es sein. Zoe hatte sich gelangweilt und hielt sich zur Abwechslung in der Scheune auf. Vermutlich würde sie zurückkommen, noch ehe Cara eingeschlafen war.
Sie schaltete das Licht im Badezimmer ein und spritzte ein wenig Make-up-Entferner auf einen Wattebausch. Dann rieb sie sich damit über die Augenlider. Zoes Verschwinden ärgerte sie – immerhin hatte sie ihr eindringlich klargemacht, wie gefährlich es war, da draußen rumzurennen. Andererseits war es immerhin Nacht. Hoffentlich hatte Zoe wenigstens genug Verstand, sich lediglich in der Scheune aufzuhalten und nirgendwo sonst hinzugehen, wo sie jemand sehen konnte.
Cara warf den schwarz verschmierten Wattebausch in den Mülleimer und hielt ihre Zahnbürste unter den Wasserhahn. Während sie sich die Zähne
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