Caras Schatten
sich das Wort auf der Zunge zergehen.
Cara spürte, wie sich ein ganzer Raum voll gierig glänzender Blicke in ihren Rücken bohrte. Sie wollte wegrennen, aber es ging nicht. Ihre Augen waren wie gebannt auf Alexis’ entstelltes Gesicht gerichtet. Ihre Augen waren blutunterlaufen, die Lider aufgequollen. Ihre Haut wirkte blass und ungesund. »Du bist ein Freak, Cara. Und Sydney hat es gewusst. Du bist total erbärmlich. Und jetzt ist sie tot, und du lebst.«
Alexis kam mit ihrem Gesicht so nah an sie heran, dass Cara eine Ader erkennen konnte, die an ihrer Stirn pulsierte. » Du hättest in diesem verdammten Swimmingpool ertrinken sollen. Du hättest in dieser Nacht verrecken sollen – nicht Sydney. Du hättest sterben sollen!« Sie schrie inzwischen. Spucketropfen flogen gegen Caras Stirn. Ihr Körper fing an, unkontrolliert zu zittern.
»Alexis! Halt endlich die Klappe!!« Ethan packte Alexis am Arm und zog sie ein paar Schritte zurück. Er umfasste ihre Schultern. »Du bist betrunken. Geh schlafen. Du benimmst dich wie ein verdammtes Miststück.«
»Wie wär’s, wenn du mal die Klappe hältst, Ethan?« Jack trat durch die Terrassentür. Die Menge schnappte kollektiv nach Luft.
Ethan warf Jack einen flüchtigen Blick zu, sein Gesichtsausdruck wirkte hart. »Halt du dich da raus.« Er versuchte Alexis aus dem Raum zu führen, aber sie schüttelte seinen Arm ab.
»Lass mich los!«, kreischte sie. »Was fällt dir ein, diese Versagerin auch noch in Schutz zu nehmen? Verpiss dich, Ethan!« Ihre Stimme klang grauenhaft, wie eine Kreissäge durchschnitt sie die Stille. Ethan ließ die Arme sinken und trat einen Schritt zurück, während Alexis schluchzend herumwirbelte und aus dem Raum stürzte. Die Haustür fiel knallend ins Schloss.
Die Stille im Haus war erdrückend. Cara versuchte zu schlucken, aber der Kloß in ihrem Hals war immer noch gigantisch. Blindlings wandte sie sich ab, taumelte zurück in die Küche und umklammerte mit ihren schwitzigen Händen den kühlen Rand der Spüle, um sich über das Becken zu beugen. Sie befahl ihrem Körper, sich nicht zu übergeben. Hinter ihr erklang leises Gemurmel.
Sie starrte aus dem Fenster über der Spüle. Der Garten leuchtete in der Dunkelheit, angestrahlt vom Scheinwerferlicht. Cara blinzelte. Sie hatte das Gefühl, hinten im Hof eine Bewegung bemerkt zu haben, als wäre jemand hinter der Garage verschwunden. Sie hätte schwören können, das Flattern langer schwarzer Haare gesehen zu haben. Doch ehe sie noch weiter darüber nachdenken konnte, fühlte sie Ethans warme Hand auf ihrem Rücken.
»Alles okay?«, fragte er. Cara blickte ihm ins Gesicht. Seine eisblauen Augen wirkten besorgt. Sie nickte zittrig und zog sich einen Stuhl heran. Sie ertrug es nicht, Ethan anzusehen. War er womöglich der gleichen Meinung wie Alexis? Hielt er sie ebenfalls für einen Freak und Versager?
Die Party war vorbei. Die Gäste schnappten sich ihre Jacken und Taschen und gingen nach und nach hinaus. Niemand verlor viele Worte. Draußen sprangen die ersten Motoren an. Das Wohnzimmer war ein deprimierendes Schlachtfeld von verschütteten Getränken und zerquetschten Plastikbechern. Sarit ging bereits mit einem Müllsack herum und sammelte die Reste ein.
Cara spürte, wie ihr Tränen die Wangen herunterliefen. Ihr war bewusst, dass ihr Gesicht gleich rot und verquollen aussehen würde. Plötzlich tauchte vor ihr eine Box frischer, weicher Kleenex auf. Sie hob den Blick. Ethan hielt ihr die Taschentücher hin.
»Na komm«, sagte Ethan. »Ich bring dich nach Hause.«
Kapitel 13
D ie Nachtluft war kühl und still. Ein großer gelber Herbstmond stand am östlichen Horizont. Cara ging schweigend neben Ethan her, die Hände tief in den Jackentaschen vergraben. Ihre Schritte machten leise, schlurfende Geräusche im Laub, das den gesamten Gehweg bedeckte. Wann war das eigentlich passiert? Der Herbst war so plötzlich hereingebrochen, dass Cara nichts davon mitbekommen hatte. Soweit sie sich erinnern konnte, waren die Bäume eben noch grün gewesen.
Ethans Schulter stieß sanft gegen ihre. »’tschuldigung«, sagte er.
»Macht nichts«, flüsterte sie heiser. Sie hatte Angst, erneut weinen zu müssen. Zusammen stapften sie an den gepflegten Ziegelhäusern vorbei, die wie aufmerksame Wachtposten die Straße säumten. Jede Rasenfläche bildete ein perfektes Quadrat, dunkelgrün und silberig vom frühen Frost. Die Straße selbst war leer und dunkel, abgesehen vom gelblichen Licht
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