Caras Schatten
sie. »Was hältst du von dem Bild?«, fragte sie. »Das hab ich in deinen alten Sachen gefunden.« Sie lächelte ein ganz normales Lächeln. Mit einem Mal konnte Cara hinter all dem Chaos und den Merkwürdigkeiten wieder ihre alte Freundin erkennen.
Eine innere Wärme breitete sich in ihr aus. Sie nahm Zoe spontan in den Arm und drückte sie. Doch dann wich sie instinktiv zurück. Zoes Haut war feucht und kalt, obwohl es im Zimmer angenehm warm war. Ihr Körper wirkte seltsam teigig, so als hätten ihre Muskeln sämtliche Kraft verloren. Cara hatte das beunruhigende Gefühl, wenn sie ihren Finger in Zoes Arm drückte, würde sie die Knochen spüren.
Cara nahm all ihren Mut zusammen, um die geplante Rede über Zoes Fortgehen vorzutragen, die sie den ganzen Nachmittag über einstudiert hatte. Doch dann sah sie ihre Freundin an, wie sie da so klein und zerbrechlich vor ihr auf dem Bett kauerte. Sie schloss den Mund wieder. »Ich geh heute Abend weg«, verkündete sie stattdessen. Ihre Muskeln spannten sich, während sie auf Zoes Wutausbruch wartete.
Doch Zoe nickte nur. »Okay. Wo willst du denn hin?«
»Zu Sarit. Sie hat ein paar Mädels zu sich nach Hause eingeladen.« Cara musterte Zoe aufmerksam. Doch die erwartete Explosion blieb aus. Zoe nickte erneut.
»Cool. Willst du, dass ich dir was zum Anziehen raussuche?«
»Klar«, erwiderte Cara verblüfft. Sie beobachtete, wie Zoe den Kleiderschrank öffnete und ihre Sachen durchsuchte. Sie schnappte sich ein gerafftes, smaragdgrünes T-Shirt und dazu dunkle Jeans. Dann warf sie beides aufs Bett und legte ein Paar zierliche silberne Kreolen dazu.
Cara nickte, immer noch verblüfft. »Perfekt«, sagte sie.
»Zu irgendwas muss ich ja schließlich gut sein, oder?« Zoe lächelte. Cara lächelte zurück. Zoe machte es sich auf dem Bett bequem, und Cara stand auf, um ihren verschwitzten Pulli über den Kopf zu ziehen. Doch irgendetwas an Zoes Blick gab ihr das Gefühl, einen Striptease hinzulegen.
»Ich spring nur schnell unter die Dusche«, sagte sie, ohne Zoe anzusehen. Sie schnappte sich ihr Handtuch und ging ins Bad. Dann schloss sie die Tür und verriegelte sie. Während sie darauf wartete, dass das Wasser heiß wurde, starrte sie in den Spiegel. Ihr eigenes blasses Gesicht starrte unbarmherzig zurück. Ihre Augen waren von dunklen Ringen umrahmt, ihr Haar hing schlaff herab. Die Wunde an ihrem Knie brannte unter dem Verband. Kein Wunder, dass sich ihre Eltern Sorgen machten. Sie sah wirklich aus wie jemand, der dringend Hilfe brauchte.
Als Cara endlich unter der Dusche stand und sich mit Pfefferminz-Duschgel einschäumte, fühlte sie sich auf der Stelle besser. Sie hielt ihr Gesicht unter den warmen Wasserstrahl und atmete tief ein, bis der heiße Dampf ihre Lungen erfüllte. Es war ein gutes Zeichen, dass Zoe nicht ausgerastet war, nur weil sie heute Abend zu Sarit gehen wollte. Vielleicht hatte sie endlich begriffen, dass es in Ordnung war, wenn Cara noch andere Freunde hatte.
Cara wandte den Kopf hin und her und ließ sich vom Prasseln des Wassers im Gesicht kitzeln. Vielleicht hatte sie die ganze Zoe-Situation ein wenig überbewertet. Zoe hatte definitiv Probleme, aber im Grunde hatten sich die Dinge zum Besseren gewandt, seit sie wieder da war. Alexis und Sydney waren … verschwunden … und die Sache mit Ethan lief besser, als sie es sich je erhofft hätte. Außerdem hatte sie endlich Freunde gefunden. Und sie hatte Zoe zurück, auch wenn sie sich manchmal ein wenig seltsam benahm.
Cara blieb so lange unter der Dusche, bis ihre Finger runzelig wurden. Erst als ihr das heiße Wasser ausging, drehte sie den Hahn zu. Sie steckte sich ihr Handtuch unter den Armen fest und öffnete die Tür. Dichter Wasserdampf quoll aus der Dusche in ihr Schlafzimmer. Einen Moment lang fühlte sie sich geradezu blind, doch dann lichtete sich der Dunst und sie sah, dass Zoe ihre Klamotten ordentlich auf dem Bett ausgebreitet hatte, das T-Shirt oberhalb der Jeans. Ihre schwarzen Ballerinas lagen am Ende der Hosenbeine, und über ihrem Shirt waren die silbernen Kreolen so ausgelegt, als würden sie an einem unsichtbaren Kopf hängen. Es sah aus, als hätte Cara in ihren Klamotten auf dem Bett gelegen und wäre dann spurlos verschwunden, während ihre Kleidung und ihr Schmuck zurückgeblieben waren.
Zoe saß neben den Kleidungsstücken, den Rücken kerzengerade aufgerichtet, die Hände im Schoß gefaltet.
»Danke«, sagte Cara zögerlich.
»Gern«, erwiderte Zoe. Ihre
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