Caras Schatten
schien beinahe alles möglich. Sie schauderte und wischte sich die Finger an ihren Shorts ab.
Sie musste in Sachen Zoe dringend etwas unternehmen. Irgendetwas stimmte nicht mit ihr. Das ließ sich nicht länger leugnen. Heute , beschloss Cara. Heute nach der Schule würde sie Zoe auffordern, ihr Zimmer aufzuräumen. Und dann würde sie ihr sagen … dass sie bald gehen musste. Bei der Vorstellung, wie Zoe auf diese Nachricht reagieren würde, zog sich ihr der Magen zusammen. Doch sie hatte keine andere Wahl. Zoe musste von hier verschwinden, sobald sie einen anderen Aufenthaltsort gefunden hatte. Es ging schließlich um ihre eigene Sicherheit, jetzt, da Mom und Dad ihnen langsam auf die Schliche kamen. Ganz egal, was Zoe bei sich zu Hause angestellt hatte.
Ein lauter Pfiff aus Coach Sanders’ Trillerpfeife direkt an ihrem Ohr ließ Cara zusammenfahren. Sie blickte sich um. Sie stand plötzlich allein auf der Bahn. Die anderen trabten bereits ans andere Ende, um sich für den Staffellauf in Position zu begeben. »Na los, Cara!« Das Gesicht des Trainers erschien unmittelbar vor ihr. »Bewegung!«
Wut kochte in ihr hoch, und sie verspürte den unbändigen Drang, auf den Coach loszugehen, ihre Fingernägel in seine Haut zu krallen, ihn zu beißen … Cara riss sich abrupt zusammen. Oh Gott , jetzt hast du wirklich den Verstand verloren . Sie trabte ihrem Team hinterher, ohne sich noch einmal umzudrehen, aus Angst, ihre Wut könnte erneut aufschäumen. Cara erreichte das Ende der Bahn und atmete tief durch, um wieder herunterzukommen. Zoe verursachte ihr eindeutig zu viel Stress. Sie musste unbedingt mit ihr reden.
Die Mädchen reihten sich für den Staffellauf auf. Cara stand in der Nähe der Tribüne. Julie war hinter ihr, Sarit vor ihr. Gelangweilt wartete sie auf den Pfiff des Trainers. Als es so weit war, beobachtete sie Julie, die wie im Traum auf sie zugerannt kam. Julie wurde immer größer und größer und hielt den glänzenden orangefarbenen Staffelstab fest umklammert. Cara stand einfach nur da und beobachtete sie, ohne an irgendetwas Bestimmtes zu denken.
Julie kam immer näher. Sie war ihr inzwischen so nah, dass Cara ihren verschwitzten Pony erkennen konnte, der ihr an der Stirn klebte. Sie gestikulierte wild mit den Händen und rief irgendetwas, das Cara nicht verstand. Mit beiläufigem Interesse beobachtete sie, wie sich Julies Lippen bewegten. Dann kehrten mit einem Mal alle Geräusche in die Welt zurück, so als hätte jemand die Lautstärke voll aufgedreht. »Los, Cara, los!«, rief Julie.
Erschrocken stellte sie fest, dass sie selbst laufen musste. Sie wandte sich Sarit zu und trabte los, bis sie den Staffelstab klatschend in ihrer Hand spürte. Sie hörte, wie die anderen Läuferinnen ihre Teams anfeuerten. Sie zwang sich, die Bahn hinunterzulaufen, doch Sarit schien ihr unerreichbar fern. Der Stab in ihrer Hand war wie eine Eisenstange, die ihre Schulter und ihren Rücken nach unten zog. Sie spürte, wie ihre Füße aneinander hängen blieben, und sah die körnige Aschebahn langsam auf sich zukommen. Ich falle , stellte sie fest. Doch es war ihr irgendwie egal.
» Uffff .« Cara fing sich mit den Händen ab, während ihr ein beißender Schmerz ins Knie fuhr. Sie blieb einen Moment lang hocken und lauschte dem Trommeln von Schritten, die sich ihr näherten. Dann spürte sie eine warme Hand auf ihrem Rücken. Cara setzte sich auf und blickte in Sarits besorgte braune Augen.
»Alles okay?«, fragte sie. Cara nickte und spürte voller Entsetzen, wie ihr Tränen aus den Augenwinkeln drangen. Gott, was war nur los mit ihr? Heulte sie jetzt wie eine Achtjährige wegen eines aufgeschürften Knies?
»Okay, okay.« Coach Sanders drängte sich durch die kleine Menschentraube, die sich um Cara versammelt hatte. »Macht mal Platz da. Lange, alles klar?« Er blickte ungerührt auf sie herab. »Oh, verdammt«, bemerkte er, als er ihr zerfetztes Knie sah. »Geh in die Umkleide und versorg die Wunde. Erste-Hilfe-Koffer ist in meinem Büro.« Er wandte sich an die übrigen Läuferinnen. »Wir machen die Staffel noch mal, Leute!«, rief er.
Cara drehte sich um und schlurfte von der Bahn herunter, um über einen schmalen Betonpfad zurück zur Schule zu gehen. Ihr Knie pulsierte mit jedem Schritt. Sie spürte, wie ihr ein Tropfen Blut übers Bein lief und den Rand ihrer Socke beschmierte.
Cara war fast an der Turnhallentür angekommen, als jemand ihren Namen rief. Sie drehte sich um. Sarit kam den Weg
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