Caras Schatten
gemacht«, sagte sie verlegen.
»Ach, so ein Quatsch.« Sarit zog Cara zu sich herein und schloss die Tür. Im Haus war es angenehm warm, und ein köstlicher Pizzageruch erfüllte die Luft. Aus dem Keller drang Stimmengewirr zu ihnen herauf. »Komm mit. Die anderen sind unten.« Cara folgte Sarits hüpfendem Pferdeschwanz die teppichbesetzten Stufen hinunter.
Fünf oder sechs Mädels aus ihrem Leichtathletikkurs hatten es sich auf dem Fußboden oder auf den Sofas rings um den großen, niedrigen Couchtisch bequem gemacht. Im Hintergrund lief stumm ein Flachbildfernseher. Auf dem Tisch lag ein Stapel ungeöffneter Pizzakartons, und daneben standen zwei Literflaschen Cola und eine Tüte Chips. Die meisten der Mädels trugen Sweatshirts und Leggings, doch Cara stellte erleichtert fest, dass Julie ebenfalls Jeans und ein schickes Top anhatte.
»Hey, Cara«, begrüßte sie Madeline.
»Hallo.« Cara nickte in die Runde. Sie setzte sich auf die Sofakante neben Madeline, die unbeirrt auf ihr Handy starrte.
»Oh, wow, sieh dir das an«, sagte sie und hielt Cara das Display hin. »St. James hat Country Day heute Morgen eiskalt abserviert.«
Cara sah sich die örtlichen Leichtathletikergebnisse auf dem Handy an. »Ist ja irre – dabei hat deren bester Läufer Gürtelrose. Das hätte ich echt nicht gedacht«, sagte sie zu Madeline.
»Kommt, lasst uns was essen.« Sarit öffnete die Pizzakartons, und auf der Stelle breitete sich ein herzhafter Duft von geschmolzenem Käse und Peperoni im Raum aus. Jede schnappte sich ein Stück. Cara wählte ein besonders kleines und bemühte sich, möglichst vorsichtig hineinzubeißen, um ihr Oberteil nicht zu bekleckern.
»Mann, habt ihr gesehen, was Coach Sanders heute anhatte?«, rief Julie in die Menge. Sie sprang auf und wackelte mit den Hüften. »Kürzer ging’s echt nicht!«
Alle lachten. »Er zeigt eben gern Arsch«, kommentierte Madeline augenzwinkernd.
»Iiih«, kreischte Sarit. Sie rollte sich lachend am Boden und drückte sich ein perlenbesetztes Kissen vors Gesicht.
»Man konnte sogar seine Arschbacken sehen«, setzte Cara hinzu. Die anderen kicherten. Cara grinste.
»Echt widerlich!«, sagte Rachael, die in der Ecke des Raums auf einem Hometrainer saß und rückwärts trampelte.
Cara lehnte sich entspannt zurück, ließ sich von der Unterhaltung umfangen und aß den Rest ihrer Pizza. Es kam ihr so vor, als würde sie im Körper eines anderen Menschen stecken – einer Person, die selbstbewusst war und mutig und frech. So wie Zoe . Ihr Kiefer stockte beim Kauen. Sie sah Zoe im Geiste vor sich – nicht die Zoe von heute Nachmittag, mit dreckigen Klamotten und fettigem Haar, sondern die Zoe vom ersten Abend, als sie bei ihr aufgetaucht war, mit glänzendem Haar, das ihr lang über den Rücken fiel, und strahlend violetten Augen. Stets ein selbstsicheres Lächeln auf den Lippen und einen Witz – oder eine Umarmung – parat. Das war die Zoe, die sie liebte. Die Zoe, die sie vermisste.
Sarit griff nach einem Stapel Bücher unter dem Couchtisch und zog das Jahrbuch vom letzten Jahr hervor. Sie klappte es auf, und Cara erhaschte einen flüchtigen Blick auf das Titelblatt und die Innenseite des Deckels, die mit unzähligen Unterschriften versehen waren – ganz im Gegensatz zu ihrem eigenen nackten Exemplar zu Hause. »Okay, wir gehen alle Typen in unserem Jahrgang durch«, verkündete sie, »und jede muss sagen, wen sie süß oder ätzend findet. Keine Enthaltungen.«
Oh Gott. Cara sackte der Magen in die Kniekehlen. Vermutlich wussten die anderen längst, dass sie noch nie mit einem Jungen zusammen gewesen war und noch nicht einmal jemanden geküsst hatte. Sie konnte eben nur für eine begrenzte Zeit den normalen Teenager spielen.
»Dave Alcorn.« Sarits manikürter Finger zeigte auf das erste Foto des elften Jahrgangs, das einen mondgesichtigen Jungen mit zusammengewachsenen Augenbrauen zeigte.
»Ätzend.« Allgemeine Zustimmung.
Als Nächstes folgte ein großer blonder Typ mit süßem Lächeln. »Mike Balducci.« Sarit blickte sich um. »Madeline fährt voll auf den ab.«
Madeline wurde ein wenig rot. »Der ist echt nett. Er hat mir heute in Mathe seinen Stift geliehen.«
Sarit verdrehte lächelnd die Augen, ehe sie fortfuhr. Sie nannte die Namen von ein paar weiteren Typen, die bis auf wenige Ausnahmen alle als ätzend eingestuft wurden. Von ihrem Platz auf der Couch aus beobachtete Cara mit einer Mischung aus Erregung und Entsetzen, wie sich Sarits
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