Caras Schatten
entlang auf sie zugerannt. »Hey«, brachte sie atemlos hervor. »Ich hab dem Coach erzählt, ich hätte meine Tage bekommen. Dagegen kann er nichts sagen. Ich dachte mir, du hättest vielleicht gern ein bisschen Gesellschaft.«
Cara nickte überrascht. Sarit hielt ihr die Tür auf. Die freundliche Geste ließ Cara fast erneut in Tränen ausbrechen. Mann, sie war echt fertig.
Der Umkleideraum war menschenleer. Überall lagen offene Sporttaschen herum, von denen aus sich T-Shirts und Schuhe über den Boden verteilten. Hier und da lag ein offener Deostick auf der Erde. Sarit warf einen Blick auf Caras Knie. »Wow, das blutet ja richtig«, sagte sie. »Warte, setz dich. Ich hol den Erste-Hilfe-Kasten.«
Cara ließ sich auf eine Bank sinken und untersuchte ihr schmerzendes Knie. Ein mehrere Quadratzentimeter großes Stück Haut war aufgeschürft. Sie betrachtete die feinen Steinchen, die in ihrem rohen, blutigen Fleisch steckten. Sarit kehrte mit dem Erste-Hilfe-Kasten zurück. Sie kniete sich vor Cara auf den Boden und öffnete die Box. Cara humpelte zum Waschbecken und befeuchtete ein paar Papierhandtücher. Sie biss vor Schmerz die Zähne zusammen, als sie die Wunde damit abtupfte. Sarit reichte ihr ein Fläschchen Desinfektionsmittel. Cara schüttete sich die Flüssigkeit aufs Knie und sah zu, wie sie weiß aufschäumte. Dann trug sie eine antibakterielle Salbe auf und umwickelte das Ganze mit einem steifen weißen Verband.
Erleichtert atmete Cara aus und ließ sich mit hängenden Schultern auf die Bank sinken. Sarit setzte sich neben sie und streichelte ihr den Rücken. Sie schwiegen einen Moment. Dann sagte Sarit: »Hey, weißt du was … Ein paar der Mädels kommen heute Abend zu mir rüber. Hast du vielleicht Lust, auch zu kommen?«
Cara blickte sie überrascht an. »Klar …«, sagte sie zögerlich.
Sarit lächelte. »Sehr gut. Wir machen alle gerade eine harte Zeit durch, mit Sydneys Tod und Alexis’ Verschwinden. Wir müssen jetzt zusammenhalten.«
Cara nickte. »Ja. Stimmt.«
Sarit stand auf. »Um sieben, okay? Wir wollen Pizza bestellen und einfach nur abhängen.«
»Okay.« Cara stand ebenfalls auf. Mit den Mädels abhängen, entspannen, Pizza essen – das klang einfach traumhaft. Sie konnte es gar nicht erwarten. Doch dann fiel ihr ein, dass sie das Gespräch mit Zoe noch vor sich hatte … und wer weiß, wie Zoe reagieren würde?
Kapitel 22
A ls Cara die Haustür öffnete, fiel ihr Blick als Erstes auf ihre Mutter, die im Wohnzimmer auf dem Sofa saß. Sie hatte einen Stapel Akten auf dem Schoß liegen, doch als sie Cara erblickte, legte sie die Unterlagen sofort auf den Couchtisch. Argwöhnisch stellte Cara ihre Sporttasche an der Tür ab. Einen gedehnten Moment lang beäugten sie einander stumm. Moms Gesichtsausdruck wirkte streng. Sie räusperte sich.
»Ich habe mit deinem Vater gesprochen«, setzte sie an. »Er ist äußerst beunruhigt. Genau wie ich.« Ihr Blick ging über Caras Schulter hinweg. »Wir machen uns schon seit einiger Zeit Sorgen um dich, und der Zustand deines Zimmers hat unsere Befürchtungen nur noch bestätigt.« Moms Gesicht wirkte erschöpft, ihre Wimperntusche war unter den Augen verschmiert, ihr Lippenstift zu einem tristen Rosa verblasst.
Cara leckte sich über die Lippen. Die Luft im Raum war abgestanden, stickig. Warum machte hier niemand das Fenster auf? »Mom, es ist genau so, wie ich es dir gestern erklärt habe. Ich hatte in letzter Zeit echt viel um die Ohren. Aber es geht mir gut! Ich war noch nie so glücklich wie jetzt.« Sie versuchte, ihrer Mutter ein beruhigendes Lächeln zu schenken, aber an ihrem Haaransatz bildeten sich Schweißperlen.
Mom schüttelte den Kopf. »Lüg mich nicht an, Cara.« Ihre Stimme wurde ein wenig lauter. »Es geht dir nicht gut. Jeder, der gestern dein Zimmer gesehen hätte, würde mir da zustimmen.« Ihre Hände zitterten, und sie wischte sich die Handflächen am Rock ab. Zahlreiche kurze graue Haare drängten sich aus ihrem Knoten und glitzerten im Licht, sobald ihre Mutter den Kopf bewegte. »Dein Vater und ich sind der Meinung, du solltest wieder zu Dr. Samuels gehen. Ich weiß, wir waren schon lange nicht mehr dort, aber ich glaube, er kann dir helfen, die Situation wieder in den Griff zu bekommen.«
Cara verspürte einen Anfall von Klaustrophobie. Als sie gerade hierhergezogen waren, hatten sie Dr. Samuels jede Woche besucht. Aber irgendwann waren die Besuche eingeschlafen.
Cara schnappte nach Luft, doch ihre
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