Caras Schatten

mitkommen.«
    »Ich kann nicht glauben, dass du deiner besten Freundin so etwas antust.« Zoes Stimme brach, und ihre Schultern sanken nach vorn. Sie fing plötzlich an zu weinen, ungehemmt und herzzerreißend wie ein kleines Kind. Ihr atemloses Schluchzen ging Cara durch und durch. Wie im Traum trat sie auf ihre Freundin zu. Zoe hob den Kopf. Die Haare hingen ihr wild ins Gesicht. »Ich hab dich immer so lieb gehabt«, weinte sie. »So lieb.«
    Cara spürte, wie sie die Hände hob und sie an Zoes Gesicht legte. »Ich hab dich auch lieb«, flüsterte sie. »Aber irgendetwas ist hier furchtbar schiefgelaufen.«
    Mit beängstigender Geschwindigkeit packte Zoe ihre Handgelenke. Cara schnappte entsetzt nach Luft. Zoes Gesicht war schneeweiß, ihre Augen funkelten wie zwei glühende Edelsteine tief in ihrem Schädel.
    »Es ist noch nicht vorbei«, fauchte sie. Bevor Cara reagieren konnte, versetzte Zoe ihr einen kräftigen Stoß. Sie stürzte hart zu Boden. Im nächsten Moment war Zoe über ihr und stützte sich mit Ellbogen und Knien auf sie, wie eine riesige knochige Spinne. Zoes Gesicht schwebte direkt über ihr wie ein wabernder Mond. Cara warf den Kopf hin und her und versuchte sich mit Händen und Füßen zu befreien. Doch Zoes Körper war wie eine tote Last, die sie niederdrückte. Tote Last. Hast du schon mal richtig tote Last gespürt?
    Cara öffnete den Mund und schrie, so laut sie konnte. Ihre Stimme brach, und ihre Kehle brannte, doch sie schrie erneut. Das Geräusch wurde von dem riesigen Hohlraum der Scheune verschluckt, und Cara empfand dieselbe Panik wie an dem Tag, als sie fast erstickt wäre – niemand würde sie hören. Niemand würde ihr helfen.
    Doch dann hörte sie hinter sich ein ratterndes Geräusch wie Donnergrollen, und sie wusste, dass Ethan da war und das Tor öffnete. »Cara!«, rief er. Zoe ließ unvermittelt los und sprang auf. Mühsam kniete Cara sich hin. Stanton und Fitzgerald eilten ihr zur Seite. Ethan umklammerte ihren Arm.
    »Elende Schlampe«, fauchte Zoe. Ihr Gesicht war zu einer wütenden Maske verzerrt. »Du glaubst, jetzt bist du in Sicherheit. Aber du irrst dich – du irrst dich gewaltig.«
    Sie drehte sich um, als wollte sie durchs Tor fliehen.
    »Halt sie auf!«, rief Cara. »Ethan! Halt sie auf!« Sie versuchte, Zoe hinterherzurennen, doch sie stolperte und fiel erneut zu Boden. Mühsam stützte sie sich auf ihre Hände und Knie. »Sie entkommt!« Cara deutete auf das Tor, durch das Zoe gerade hinausschlüpfte. Doch niemand rührte sich. Stanton und Fitzgerald standen nur da wie zwei Statuen und starrten Cara an. Ethan war kreidebleich geworden. Er streckte die Hände aus und half Cara auf die Beine.
    »Ethan«, schluchzte sie erneut. »Bitte. Sie entkommt.«
    »Cara!«, schrie Ethan. »Hier ist niemand!« Sein Gesicht war von Verwirrung gezeichnet. »Hier ist niemand«, wiederholte er etwas ruhiger.
    Stanton und Fitzgerald ließen ihre Waffen sinken. Cara sah, wie sie einen Blick wechselten. Alle Augenpaare richteten sich auf Cara. Sie wich ein wenig zurück. »Was? Was soll das heißen? Sie hat mich angegriffen! Sie stand genau hier … Du hast sie doch gesehen … oder nicht?«, wimmerte sie.
    Fitzgerald zog die Augenbrauen hoch. Er packte Cara oberhalb des Ellbogens am Arm. Wie eiserne Schellen legten sich seine Finger um ihren Oberarm. »Sie müssen mit uns mitkommen, Cara.«
    Ethan rang nach Luft. »Oh, nein, Cara …« Eine Woge der Erkenntnis überrollte sein Gesicht. Er atmete aus und ließ sich erschöpft zu Boden sinken, als wäre mit einem Mal alle Kraft aus seinen Beinen gewichen.
    Cara versuchte sich aus Fitzgeralds Griff zu befreien, doch seine Hand packte nur noch fester zu. »Ethan, hilf mir«, flehte sie. »Sie verstehen es nicht – es war Zoe.« Ihr Atem drang pfeifend aus ihrer Kehle. Tränen erfüllten ihre Brust.
    Ethan trat auf sie zu. Stanton hielt ihn mit einem Arm zurück. »Tut mir leid. Ms Lange, Sie müssen mit uns mitkommen.«
    »Ethan!«, rief Cara über ihre Schulter hinweg, als man sie abführte. »Hilf mir!«

Kapitel 29
    D as Verhörzimmer war klein und dreckig. Die Wände bestanden aus nackten Betonsteinen, und die Neonröhren an der Decke tauchten den Raum in ein harsches, grelles Licht. Cara saß an einem einzelnen Metalltisch, den Kopf in die Hände gestützt. Ihre Eltern saßen links und rechts von ihr, Stanton und Fitzgerald gegenüber.
    »Wir haben uns sofort auf den Weg gemacht, nachdem ich mit Cara gesprochen hatte«,