Caras Schatten
Handflächen gegen die Tür hinter ihr. Die Oberfläche fühlte sich kühl an.
Zoe musterte Caras Gesicht und lächelte flüchtig. Dann schüttelte sie den Kopf. »Du hast mich mit meinem Stiefvater im Stich gelassen, Cara. Du warst die Einzige, die wusste, wie schlimm es wirklich war, aber du hast mich da verrotten lassen . Du wirst nicht zur Polizei gehen. Das kannst du nicht. Du bist mir etwas schuldig, Cara.«
»Ich habe dich nicht darum gebeten!«, schrie Cara plötzlich. Sie spürte, wie sich etwas in ihr löste und zerbrach. »Ich habe dich um gar nichts gebeten! Ich will das alles nicht. Ich will es nicht.« Sie verstummte und tastete mit einer Hand nach dem Stuhl, um sich erschöpft hinzusetzen. Sie beugte sich vor und umklammerte ihre Knie, während sie das Gesicht in ihrer Jeans vergrub.
»Wir sitzen im selben Boot, Cara. Und das weißt du.« Zoe riss die Haustür auf und schleuderte sie so hart gegen die Wand, dass der Putz herabrieselte. Sie stürmte die Eingangstreppe hinunter und floh ins dämmrige Abendlicht. Ihre schwarzen Haare breiteten sich wie Flügel hinter ihr aus.
Cara umklammerte ihre eiskalten Oberarme – der einzige Trost, der ihr noch blieb – und beobachtete, wie Zoe verschwand.
Kapitel 27
D ie Nacht senkte sich langsam herab. Tiefe Schatten sammelten sich in den Ecken der Küche, wo Cara im Halbdunkel am Tisch saß, vor sich das Foto von ihr und Zoe auf dem Fahrrad. Das Licht wurde immer schwächer, und die grauen Quadrate der Fenster verwandelten sich zunehmend in schwarze Flächen.
Zoe hatte Alexis umgebracht. Sie hatte sie umgebracht und ihre Leiche im Gebälk der Scheune versteckt. Cara verspürte plötzlich den Drang aufzustehen und zur Scheune zu gehen, obwohl sie genau wusste, dass die Leiche nicht mehr dort war. Einfach nur, um die Stelle mit eigenen Augen zu sehen. Doch ein winziger, gesunder Teil ihres Verstandes hielt sie davon ab. Zoe war irgendwo da draußen. Und sie war wütend.
Cara war vage bewusst, dass sie das Licht hätte einschalten sollen, aber irgendetwas ließ sie an ihrem Platz verharren. Vielleicht der Gedanke, dass Zoe sie im Dunkeln nicht so leicht finden würde.
Das letzte Tageslicht war inzwischen vom Himmel gewichen. Kühlschrank und Herd hatten sich in finstere Schemen verwandelt. Die Uhr an der Wand tickte unerbittlich. Es war der einzige Laut im Raum. Cara saß reglos da. Sie rührte keinen Finger. Sie atmete kaum. Wenn sie sich absolut ruhig verhielte, würde Zoe sie nicht finden.
Plötzlich ging neben ihrem Ellbogen das Handy los. Um ihren Schrei zu unterdrücken, biss sich Cara so fest auf die Lippe, dass sie Blut schmeckte. Mit pochendem Herzen starrte sie das kleine leuchtende Display an. Es war Mom. Caras Hand zitterte so stark, dass sie hilflos an dem Handy herumfummelte und es auf den Tisch fallen ließ, ehe sie es endlich aufklappte.
»Liebling?« Moms Stimme schien von einem anderen Planeten zu kommen.
»Hallo Mom«, flüsterte Cara. Sie wischte sich das Blut vom Kinn, das von ihrer verletzten Lippe herunterrann.
»Wie geht’s dir, Liebling? Alles in Ordnung?«
Cara hörte Stimmen im Hintergrund. Sie stellte sich ihre Eltern im hell erleuchteten Wohnzimmer ihrer Großmutter vor, wo immer der Fernseher lief. Opa Lorin saß im Fernsehsessel, während hinter ihm auf dem Tisch die Reste des Abendessens standen. Cara starrte ins Dunkel.
»Mom, hier stimmt was nicht«, flüsterte sie. »Ich brauche Hilfe.«
»Was ist los, Cara?« Ihre Mutter klang erschrocken. »Liebling, was ist los?«
»Es ist Zoe. Sie ist wieder da, und sie hat etwas Schreckliches getan.« Sie wartete, atmete. Sie fühlte sich plötzlich erleichtert. Jetzt würde alles gut werden. Wenigstens war sie nicht mehr allein. Ihre Eltern würden ihr helfen, das Richtige zu tun.
»Zoe? Oh, nein. Nein, Cara.« Ihre Mutter klang erschüttert. »Cara, sag mir, was passiert ist. Was meinst du mit ›etwas Schreckliches‹? Cara? Cara?« Cara verspürte einen unbändigen Drang, die Augen zu schließen. Sie sehnte sich nach absoluter Dunkelheit, nur für einen Moment. Hinter ihren geschlossenen Augenlidern hörte sie ein scharrendes, kratzendes Geräusch, und plötzlich riss die Stimme ihrer Mutter ab.
»Mom?«
Die Leitung war tot. Cara nahm das Handy vom Ohr und starrte es an. Es fühlte sich ungewöhnlich leicht an. Vor ihr auf dem Tisch lag irgendetwas. Der Akku. Sie drehte das Gerät um. In der Rückseite klaffte ein Loch.
Cara starrte das Handy an. Plötzlich ging
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