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Caravan

Titel: Caravan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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an. Tomasz schüttelt den Kopf. Neil zündet sich mit einem Streichholz die Zigarette
     an, bläst eine große Wolke Rauch aus, dann fängt er an zu husten und zu würgen. »Wegen den |153| Supermärkten, verstehst du? Die wollen große Brüste. Wie die Männer, was?« Hust, hust. »Hast du die eine Frau bei ›Big Brother‹
     gesehen?«
    »Wer ist ›Big Brother‹?«
    »Du kennst ›Big Brother‹ nicht? Was läuft denn in der Glotze, wo du herkommst? Das ist die Sendung, wo sie alle in ein Haus
     einsperren, und dann guckt man ihnen zu.«
    »Hühner?«
    »Ja, ja, genau wie Hühner. Das ist gut«, der Junge kichert wieder. Eigentlich ist er ein ganz netter Junge, denkt Tomasz.
     Freundlich und gesprächig. Vielleicht so alt wie Emanuel, mit der gleichen ungelenken Naivität. »Und dann ist da so ’ne Stimme,
     die ihnen sagt, was sie machen müssen. Und eigentlich dürfen sie da drin ja keinen Sex haben, aber die eine hat’s doch gemacht,
     die mit den dicken – äh – Möpsen, die ich gemeint hab.«
    »Dickenäh Möpse?«
    »Ja, riesig.«
    »Aber wie können sie laufen, wenn die Brüste so groß ist? Wie kann man so viele haben?«
    Der Junge sieht ihn komisch an.
    »Ist das so   … äh   … bei dir zu Hause?«
    »In Polen haben alle   …«
    »Polen?«, fragt der Junge ehrfürchtig. »Wow. Bin ich noch nie gewesen. Und bei euch haben sie alle dicke Möpse?«
    »Ja, viele Leute. Im Stall hinter dem Haus.«
    »Ach, du meinst Hühner.« Langsam geht dem Jungen ein Licht auf.
    »Ja. Wir kümmern uns.«
    »Ach, das geht hier alles automatisch.« Der Junge sieht seltsamerweise enttäuscht aus. »Siehst du die Rohre? Da kommt das
     Wasser raus, siehst du? Und das Futter kommt da raus. So viel sie fressen können, weil, sie sollen ja schnell |154| fett werden. Fast Food, he? Verstehste? Das Licht wird nie ganz abgestellt, damit sie kein Nickerchen machen, sondern die
     ganze Nacht weiterpicken. Wie wenn man vor der Glotze Pizza isst. Schwaches Licht beruhigt sie. Deswegen werden sie normalerweise
     in der Nacht gefangen. Ist alles irgendwie wissenschaftlich.«
    »Aber so viele auf einem Haufen – kann nicht gesund sein.«
    »Ja, aber das haben sie alles geregelt. Die mischen so’n Antibio-Zeug ins Futter, damit sie nicht krank werden. Besser versorgt
     als bei der Krankenkasse, echt, mit allem Drum und Dran. Und das Beste ist, wenn du das Hühnchen isst, kriegst du auch jede
     Menge Antibio, und dadurch bleibst du dann auch gesund, wenn du’s dir überlegst. Vorsorge ist besser als Nachsorge, sagt meine
     Oma immer. Guinness zum Beispiel.«
    »Und Saubermachen?«
    »Nee, das geht nicht. Du kommst ja nicht auf den Boden. Zu viele Hühner. Kommste nicht ran. Also lassen wir’s einfach. Müssen
     sie eben drin rumlaufen. Hühnerscheiße. Verbrennt ihnen den Arsch und die Beine. Wer will schon ein Huhn sein, oder?« Während
     er redet, zieht er den Reißverschluss eines blauen Nylon-Overalls hoch. »Pass auf, dass du das Zeug nicht in die Schuhe kriegst.
     Wenn’s dir reinschwappt, verbrennt’s dir die Socken. Erst wenn sie draußen sind, gehst du rein und putzt und machst alles
     fertig für die nächste Fuhre.«
    »Fuhre?«
    »Ja, so nennen sie’s. Komisch, oder? Klingt wie Gemüse oder so was. Nicht wie was Lebendiges. Aber Gemüse ist ja irgendwie
     auch lebendig, oder? Oder nicht? Ich weiß nicht.« Er kratzt sich am Kopf und zieht hustend an seiner Zigarette. »Gemüse. Eins
     von den großen Rätseln des Lebens.«
    |155| Dann drückt er die Zigarette aus und schiebt die nicht gerauchte Hälfte sorgfältig zurück in das Päckchen. »Ich fang gerade
     erst an, es mir irgendwie anzugewöhnen, einen Zug nach dem anderen«, erklärt er. »Langsam anfangen, bis zum vollen Programm.
     Na ja, jedenfalls brauchst du auch einen Overall, Kumpel. Wie heißt du eigentlich?«
    »Tomasz. Meine Freunde nennen mich Tomek.«
    »Tom-Mick   … aha. Macht’s dir was aus, wenn ich einfach Mick sage? Du brauchst einen Overall, Mick. Komm, wir gucken mal, ob noch einer
     da ist.«
    Sie gehen rüber ins Büro. Dahinter ist ein Lagerraum, und dort hängt ein blauer Nylon-Overall an einem Haken über einer Bank
     voller Männerkleidung.
    »Glück gehabt«, sagt Neil.
    Tomasz zieht den Reißverschluss hoch. Die Beine sind zu kurz, und es zwickt im Schritt. Neil mustert ihn kritisch von oben
     bis unten.
    »Nicht schlecht. Bist nur ein bisschen zu groß dafür. Hier, die brauchst du noch.« Er reicht Tomasz ein Paar

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