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Caravan

Titel: Caravan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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abgenutzte Lederhandschuhe
     und zieht selbst welche über. »Und Stiefel.«
    Es ist nur noch ein Stiefel übrig, ein grüner, aber wenigstens hat er die richtige Größe.
    »Einer ist besser als keiner«, sagt Neil. »
Wir danken dir für alle Segnungen
… Kennst du das Lied? Singt meine Oma die ganze Zeit. Ist irgendwie sehr gläubig, meine Oma. Betet immer für die Hühner mit.
     Aber Guinness, das trinkt sie gern. Musst sie mal kennenlernen.«
    »Das würde ich gerne.«
    Neil macht sich auf die Suche und findet schließlich noch einen schwarzen Gummistiefel unter dem Schreibtisch im Büro, eine
     ziemlich kleine Größe. Scheint bei mir zur Gewohnheit zu werden, denkt Tomasz, als er seine zwei unterschiedlichen |156| Turnschuhe unter die Bank stellt und die zwei unterschiedlichen Stiefel anzieht. Vielleicht hat das irgendwas zu bedeuten.
    Auf dem Weg zurück zur Halle bewegt er sich steif, weil der linke Stiefel drückt und der Overall im Schritt zwickt.
    »Bereit?«, fragt Neil. »Du kriegst den Dreh schnell raus. Wir üben ein bisschen, bevor das Team kommt.«
    Er macht die Tür auf, und zusammen waten sie in ein aufgewühltes Meer von Hühnern. Die Hühner kreischen und gackern und versuchen,
     ihnen aus dem Weg zu flattern, aber sie können nicht weg. Sie versuchen hochzufliegen, aber ihre Flügel sind zu schwach für
     ihre überfütterten Körper, und so klettern sie verzweifelt übereinander und wirbeln ätzende, stinkende Wolken aus Federn und
     Hühnerdreck auf. Tomasz spürt etwas Lebendiges unter seinem Stiefel knirschen und hört einen schrecklichen Klagelaut. Er muss
     auf ein Huhn getreten sein, aber anders geht es ja gar nicht.
    »Pack sie an den Beinen!«, schreit Neil durch das Inferno aus Geschrei und Federn und herumfliegendem Hühnerdreck. »So!«
    Er hält die linke Hand hoch, in der er fünf Hühner hält, jedes an einem Bein. Die verstörten Hühner strampeln und flattern
     und scheißen sich voll vor Angst, dann scheinen sie plötzlich aufzugeben und hängen schlaff herunter.
    »Siehst du, es beruhigt sie, wenn du sie mit dem Kopf nach unten hältst.«
    Ein Knacken ist zu hören, und eins der Hühner dreht sich um sich selbst und baumelt mit flatternden Flügeln von einem ausgerenkten
     Schenkel. Am Ende der Halle steht ein Stapel Plastikkisten. Neil zieht eine heraus, wirft die Vögel hinein und macht den Deckel
     zu. Dann watet er in das Gedränge, um die nächsten fünf zu holen.
    Tomasz wappnet sich und greift hinein in die schäumende |157| Masse der Hühner, mit angehaltenem Atem, die Augen geschlossen. Er packt zu, erwischt etwas – es muss ein Flügel sein   –, doch das Huhn flattert und kreischt so erbärmlich, dass er es wieder loslässt. Dann packt er noch mal zu, und diesmal kriegt
     er die Beine zu fassen, er reißt das arme Vieh in die Luft, und um es nicht zu verlieren, steckt er es gleich in die Kiste.
     Dasselbe beim nächsten. Dann schafft er zwei auf einmal, und schließlich drei. Mehr kann er nicht halten, denn er kann sich
     nicht dazu bringen, sie nur an einem Bein zu packen. Nach einer halben Stunde hat er einen Käfig voll, und Neil hat vier.
    »Besser du legst einen Zahn zu, wenn das Team kommt«, sagt Neil.
    Wie aufs Stichwort geht die Hallentür auf und der Rest des Teams kommt herein – vier kleine, dunkelhaarige Männer, die sich
     in einer Sprache unterhalten, die Tomasz nicht versteht. Sie verteilen sich auf die ganze Länge der Scheune, und jetzt wird
     das Gackern und Flattern noch hektischer, und in der ganzen riesigen Halle bricht ein Sturm aus Federn und Staub und Gestank
     und Lärm los, als sie lospreschen, immer fünf Hühner auf einmal packen und sie in die Kisten stopfen.
    »Portugiesen«, schreit Neil ihm über den Krach zu. »Oder Brasilianer! Respekt!« Und er hebt eine behandschuhte Hand. Tomasz
     tut es ihm nach. Was redet der Junge bloß? Vom Beispiel der Männer angespornt greift er mit neuer Energie in die Hühner und
     schafft es sogar, vier mit einer Hand zu halten, indem er sie nur an einem Bein packt. Und noch einmal. Und noch einmal. Und
     noch einmal. Es ist Knochenarbeit. Unter der Nylonhaut seines Overalls läuft ihm der Schweiß am ganzen Körper runter. Seine
     Augen brennen. Seine Haare starren vor Dreck. Selbst Mund und Nase scheinen mit dem ekelhaften Hühnermist verstopft.
    |158| Nach und nach werden die Käfige voll; die gefangenen, vor Angst erschöpften Hühner zittern und glucken hoffnungslos, besudelt
     von den

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