Carlotta steigt ein
einen
triumphalen Sieg über einen elitären Gesundheitsclub, dessen Mitglieder sich
keine Nagellackkratzer auf den Fingernägeln holen wollten. Ich schwamm meine
Runden, aß zwei Donuts mit Cremefüllung, trank zwei Tassen Kaffee und
überwachte eine Stunde lang den in der Nachbarschaft Paolinas herumlungernden
Dealer. Diesmal hatte ich meine Kamera dabei — ich machte Aufnahmen aus einem
Versteck heraus. Zipfelbarts Kunden waren so jung, daß ich mich schließlich
fragte, ob er nicht vielleicht mit Crack handelte.
Heroin, als weißes Pulver, das
in die Venen gespritzt wird, ist teuer. Kokain, als weißes Pulver, das durch
die Nase geschnupft wird, ist teuer, beides also erschwinglich für
Fußballspieler, Rockstars und Top-Leute aus der High-Tech-Branche, was mir
recht sein soll, denn die sind im allgemeinen alt genug, um ihr Leben so zu
ruinieren, wie sie es wünschen. Aber Crack oder Rock ist billiges, rauchbares
Koks. Man kann es in seiner Küche zusammenkochen — einzige Zutaten sind
Backsoda und Wasser — , man wartet, bis das Zeug fest wird, und hackt es in gut
verkäufliche Stückchen. Dazu ist kein Chemiker nötig. Es hat nichts zu tun mit
den exquisiten Koksprisen durch zusammengerollte Hundert-Dollar-Noten. Wir
reden von zehn, fünfzehn Dollar für ein halbstündiges High, ganz zu schweigen
von der Sucht. Die Verbraucher sind jung. Kinder. Wie Paolina.
Ich rief von einem demolierten
Münztelefon aus im Bostoner Stadtkrankenhaus an und wurde durch eine näselnde
Stimme davon in Kenntnis gesetzt, daß Miss Devens’ Gesundheitszustand sich zwar
verbessere, sie aber keine Telefonanrufe entgegennehmen könne, daß sie aber am
Abend zwischen 19 und 21 Uhr zwei Besucher empfangen dürfe, sofern es sich um
enge Familienangehörige handle.
Irgendwie glaubte ich nicht
daran, daß Eugene aufkreuzen könnte. Ich mußte jedenfalls vor dem Abend mit ihr
reden.
Krankenhäuser sind heutzutage
chaotisch. Früher einmal hatte alles seine Ordnung, als die Schwestern noch
Hauben trugen, an denen man ihren Schwesternverband erkennen konnte. Auch die
Schwesterntrachten pflegten so zu sein, wie sie heißen: einträchtig. Heute ist
alles erlaubt, solange es weiß ist, und so hielt ich kurz zu Hause, um mir
leichte weiße Hosen und einen weißen Baumwollpulli anzuziehen, ein bißchen zu
sommerlich für Ende September. Meine abgenutzten, einstmals weißen
Adidas-Schuhe behielt ich an. Sie gingen zwar nicht ganz für typische
Schwesternschuhe durch, aber ich hatte keine große Auswahl — Turnschuhe oder
schicke Sandaletten mit hohem Absatz. Ich drehte mein Haar hinten zu einem
würdigen Knoten zusammen, so gut ich konnte, warf meinem Spiegelbild einen
finsteren Blick zu und ging, Margarets Kleidung und Schuhe in eine amtlich
aussehende Aktentasche gestopft, die ich unter den Arm klemmte.
Tu so, als gehörtest du dahin,
wo du bist, und die Leute lassen dich gewähren. In Anbetracht all der
Pflegepersonalstreiks, Aushilfskräfte und Schichten rund um die Uhr war ich
sicher, daß mich niemand beachten würde, es sei denn, ich verirrte mich in den
Operationssaal und fing an, Gehirne zu operieren.
Ich nahm den Aufzug zum fünften
Stock, schritt energisch am Schwesternzimmer vorbei, mit einem flotten
Kopfnicken für die diensttuende Stationsschwester, blickte auf meine Armbanduhr
und stürmte weiter. Die Aktentasche und ein offizielles Krankenblatt samt
Unterlage, was ich mir beides im Vorübergehen von einem Schreibtisch
ausgeliehen hatte, fest umklammert, betrat ich Margarets Zimmer und schloß
hinter mir die Tür. Das Bett neben ihrem war diesmal leer, sah aber mit seinen
offenen Vorhängen noch genauso abstoßend aus. Mit professionellem Schwung riß
ich die Tabelle am Fußende von Margarets Bett ab. Was darauf stand, war zumeist
medizinisches Kauderwelsch, aber ihre Temperatur und ihr Blutdruck waren
offenbar ziemlich normal, und mehr wollte ich gar nicht wissen. Ich mußte
schließlich mit der Lady reden, nur sollte sie nicht gleich von dem Schock tot
umfallen.
Auf dem hoch oben an der Wand
aufgehängten Farbfernseher lief ein Gewinnspiel im Tagesprogramm.
Barmherzigerweise war der Ton abgestellt, doch ein barbiepuppengleiches Paar
hüpfte auf und nieder und deutete auf ein riesiges Roulette-Rad hin, als handle
es sich um eine heilige Vision.
Margaret Devens’ intaktes Auge
stand weit offen, aber sie schenkte den lebenden Puppen auf dem Bildschirm
keine Beachtung. Die Zone um ihr blaues Auge herum hatte einen Stich
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