Carlotta steigt ein
hinzu.
«Und er hat Sie noch nicht
zurückgerufen.»
Kein Zweifel, dieser Mann besaß
Realitätssinn. Ich scheuchte die aufgeplusterte rote Emma von meinen
Potatochips fort. Sie hat eine Vorliebe für Chips, aber dann muß sie eine
Gallone Wasser hinterhertrinken, wegen des vielen Salzes.
«Ahem», die barsche Stimme
klang seltsam zurückhaltend. «Ahem, ich weiß nicht recht, wie ich mich
ausdrücken soll, hm, haben Sie vielleicht Schwierigkeiten mit Ihrem Mann?»
Ich schluckte.
«Schwierigkeiten?»
«Ehe— ahem — ehelicher Art? Sie
sind doch nicht geschieden, oder?»
«Wären wir damit aus dem
Rennen?»
«O nein, das nicht. Ganz und
gar nicht. Solange Sie nur beide vorbeikommen und Ihre Gewinnansprüche geltend
machen.»
«Nun, wie gesagt, ich versuch’s
weiter.»
«Wo genau steckt denn Ihr
Mann?»
«Warum?»
Seine Stimme wurde butterweich
und jovial. «Oh, ich dachte nur, wir könnten ihn vielleicht telefonisch
erreichen. Cedar Wash hat einen Telefondienst rund um die Uhr, sieben Tage die
Woche.»
«Thomas haßt es, von Fremden
belästigt zu werden», sagte ich, eine grobe Lüge. T. C. schmeichelt sich an
jeden Fremden an, jederzeit, an jedem Ort. «Ich schaff s schon. Ich brauche nur
Zeit.»
«Können Sie mich in zwei Tagen
zurückrufen?»
«Sicher. Kein Problem. Und
halten Sie das Geld bis dahin fest.»
Ich hielt den Hörer noch lange,
nachdem er aufgelegt hatte, ans Ohr, denn ich hätte schwören können, zu Beginn
unserer Unterhaltung ein Klicken gehört zu haben. Komisch, daß jemand nicht
wissen sollte, daß Telefonabhören verboten war.
Im Sharper-Image-Katalog mit
all dem modischen Schnickschnack und technischen Spielereien, den ich durch
irgendeinen Computer-Fehler regelmäßig mit der Post bekomme, gibt es einen
Wanzendetektor. Jedenfalls kostet das Ding nur 49 Dollar plus Porto, «dank
eines Durchbruchs in der Mikrochiptechnik». Und es wiegt nur 50 g, ich könnte
es also in meine Umhängetasche stecken.
In diesem Augenblick kam Roz in
die Küche. Wenigstens nahm ich an, es sei Roz. Ihr Haar hatte eine absolut
ausgefallene Pink-Färbung, und ich fragte mich, ob mit Absicht oder nur als
Endergebnis des ganzen Färbens. Sie riß die Kühlschranktür auf. Die Kehrseite
ihrer hautengen schwarzen Reithosen sah ganz so aus wie die Kehrseite von Roz’
hautengen schwarzen Reithosen. Als sie sich mit einem Glas Peanutbutter in der
Hand umdrehte, hatte ich keinen Zweifel mehr, daß es Roz selbst war und daß zumindest
sie mit ihrer Haarfarbe ganz zufrieden war. Sie hatte ein verträumtes,
entrücktes Lächeln auf den Lippen in Vorfreude auf die Peanutbutter, die sie
zum Frühstück, Mittag- und Abendessen gleichermaßen ißt, und trug eines ihrer
T-Shirts mit Aufschrift.
Roz ist ein liebes Mädchen,
ehrlich, trotz der falschen Wimpern, des klatschigen Make-ups, des
aufdringlichen Schmucks und des Heiße-Puppe-Heavy-Metal-Bildes, das sie abgibt.
Sie besitzt einen falschen Leopardenfellmantel. Sie ist nur ungefähr einssechzig
groß und wirklich dünn, aber sie hat diese unglaublichen Brüste, an denen es
wahrscheinlich liegt, daß sie die beste T-Shirt-Kollektion der Welt ihr eigen
nennt. Die Sprüche reichen von «McGovern ‘72» über «Tofu ist Spitze» bis hinzu
«Nieder mit den Schlümpfen». Mein absoluter Favorit stammt aus einem Laden am
Harvard Square, in einem wildromantischen Lila und mit dem folgenden Vers
bedruckt:
Rosen
sind rot,
Veilchen
sind blau,
ich
bin schizophren,
und
ich ebenso.
Ich gebe nie einen Kommentar zu
Roz’ Äußerem ab. «Hallo, Carlotta», sagte sie. «Wie geht’s?» Sie drehte den
Deckel vom Peanutbutterglas ab und kratzte sich etwas von dem gelblichen Zeug
mit einem grünlackierten Fingernagel heraus. Wir benutzen den gleichen
Kühlschrank, kaufen aber jeder eigene Vorräte ein. Angesichts ihres Angriffs
auf die Peanutbutter war ich ganz froh darüber.
Ich fragte mich, ob ihr
Karate-Freund wohl noch oben herumlungerte. Roz nennt ihn Lemon. Ich weiß nicht
genau, ob das ein echter Spitzname ist oder nur Roz’ besondere Vorstellung
eines Kosenamens, aber sein richtiger Name lautet Whitfield Arthur Carstairs
III, das schwöre ich, und wenn er keinen Karate-Unterricht gibt, ist er
Performance-Künstler. An manchen Tagen steht er mitten auf dem Harvard Square
stundenlang unbeweglich auf einer Seifenkiste. Einmal habe ich ihn vier
Pampelmusen jonglieren sehen. Gelegentlich macht er auch Untergrund-Theater,
und er hat den tollsten Körper, den ich
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