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Carlotta steigt ein

Carlotta steigt ein

Titel: Carlotta steigt ein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Barnes
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wandte ich mich zum Gehen.
    «Carlotta», sagte er
trübsinnig, «danke, daß du vorbeigekommen bist, mein Schatz. Der Whiskey war
großartig.»
    «Danke ebenfalls», sagte ich.
    «Irgendwas war da mit dem Namen
einer Frau, glaube ich», setzte er noch hinzu, «das hat Eugene wohl gereizt.
Ein Frauenname.»
    Ich ließ meine Karte da, so daß
er mich anrufen konnte, falls ihm noch mehr Stücke des Puzzles wieder
einfielen.
     
     
     

16
     
    Ich dachte daran, die Polizei
anzurufen und auszupacken, was ich wußte, damit sie die Sache übernehmen
konnten. Einer der Lieblingssprüche meiner Mutter fiel mir wieder ein, direkt
von meiner Großmutter aus der alten Heimat überliefert. Ich wünschte, ich
könnte ihn auf jiddisch wiedergeben, denn das klingt dermaßen witzig, daß man nicht einmal eine Übersetzung braucht, um loszulachen. Das
Annäherndste, was meine Mutter vorbrachte, war etwas in der Art von: Fremder
Hand vertrauen heißt, die Katze im Sack kaufen. Mit anderen Worten: Wer an
Resultaten interessiert ist, muß selbst zu Werke gehen.
    Die beste Zeit, um an Gloria
heranzukommen, ist elf Uhr abends nach dem Schichtwechsel, wenn etwas Ruhe
eingekehrt ist, aber ich zögerte und fühlte mich immer unbehaglicher, je näher
der Zeitpunkt rückte. Schließlich gestand ich mir ein, weshalb mir so unwohl in
meiner Haut war. Wenn Green & White an einer größeren Sache als nur
dem Mietdroschkengeschäft beteiligt war, mußte ich der Tatsache ins Auge sehen,
daß meine Freundin Gloria womöglich tief in dunkle Machenschaften verstrickt
war.
    Ich versuchte, mir Gloria als
geheimen IRA-Drahtzieher vorzustellen.
    Das ging total daneben.
    Vielleicht war sie eine
Sympathisantin. Gloria, Commandante der Organisation der Unterdrückten
dieser Erde oder einer ähnlichen Gruppe. Doch selbst meine Einbildungskraft,
die Mooney ausgesprochen stark nannte, streikte und wollte keine Verbindung
zwischen Gloria und Mitgliedern der Ortsgruppe der Irisch-Republikanischen
Armee herstellen. Um ehrlich zu sein, drängte sich mir ungebeten ein Bild auf:
Gloria als Großmarschall bei der Parade am St.-Patricks-Tag, einem Südbostoner
Ereignis, bei dem Schwarze durch Abwesenheit glänzen, und das amüsierte mich so
sehr, daß ich laut lachen mußte, bis sich T. C. erschreckt unter das Bett
verkroch.
    Ich beschloß, mich an Gloria
ranzuwagen. Gloria, nicht etwa an ihren Partner, nicht an Sam. Vielleicht lag
es an der Erinnerung an die lauten Liebesspiele im oberen Stock letzte Nacht
oder an Pats wiederholten Fragen nach meinem Ehestand, daß mein Gesicht heiß
wurde, wenn ich an Sam dachte. Er war ein Gianelli, rief ich mir ins Gedächtnis
zurück, und Gangster in Strumpfmasken wie die, von denen Margaret fertiggemacht
wurde, hatten oft ähnliche Namen. An Sam würde ich mich nicht ranwagen. Weder
privat noch beruflich, versprach ich mir fest. Ich gebe mir immer so gute
Ratschläge.
    Ich ging um elf aus dem Haus,
mit Jeans und einer Windjacke, das Haar unter eine Ballonmütze gestopft, die
ich beim Taxifahren zu tragen pflegte.
    In Erinnerung an mein
Versprechen, wieder nächtliche Spaziergänge zu machen, parkte ich mein Auto
eine halbe Meile von G&W entfernt, unter einer Straßenlaterne, um die Diebe
zu entmutigen. Langsam fielen einzelne Tropfen, der erste sanft auf meine
Wange, der nächste auf die Hand, und dann ein nasser Platsch auf meinen
Nasenrücken. Bald fielen sie immer dichter und verwandelten sich in einen
plötzlichen Schauer. Ein jäher Windstoß aus Nordost wollte mir meine Mütze
rauben; der Regen begann, auf den Bürgersteig zu trommeln, und die Tropfen
sprangen zollhoch. Ich schritt forsch aus. Ich fing an zu rennen.
    Sich den Bostoner Wetterbericht
anzuhören ist reine Zeitverschwendung.
    Im G&W-Büro übertönten die
Telefone fast den Sturm. Soviel zu den ruhigeren Stunden bei einem
Taxiunternehmen.
    Gloria, aufrecht in ihrem
Rollstuhl, bearbeitete die Tasten der Telefonzentrale, sie spielte darauf wie
auf einer Kirchenorgel und schmachtete mit tiefer Stimme ins Mikrofon, einmal
im Befehlston, ein andermal beschwichtigend, dann wieder schmeichelnd. Eine
Riesenpackung Chicken McNuggets stand in Reichweite.
    Zehn hektische Minuten später
haute sie auf einen Knopf, und das Geklingel brach mitten im lautesten
Schrillen abrupt ab. Lämpchen blitzten immer noch auf und blinkten, aber sie
ignorierte sie und schob die Hühnernuggets in meine Richtung. Ich betrachtete
sie mir argwöhnisch. Ich habe Huhn lieber in erkennbaren

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