Carlotta steigt ein
kämmen und
zur Sicherheit immer einen Spiegel bei sich tragen. Vielleicht benutzte er den
Spiegel auch, um festzustellen, wer hinter ihm her war. Eh war ein
Prüfungshengst, ein begieriger Aufsteiger auf dem Weg zum Captain. Er sah gut
aus, sofern man diesen jungenhaften, rotblonden Typ Mann mag, was ich von mir
nicht sagen kann. Er wirkte irgendwie cool, wie ein gepflegtes «Na-und». Ich
hatte keine Na-und-Einstellung in bezug auf Zipfelbart. In bezug auf ihn war
ich sogar ausgesprochen uncool.
«So», sagte ich, als er mich zu
seinem Schreibtisch führte, eine Hand in besitzergreifender Art schwer auf
meine Schulter gelegt, was ich hassen kann, «weißt du, wo dieser Bastard ist,
den ich dich zu schnappen gebeten hatte? Wo er genau in dieser Minute ist?»
«Ich weiß, daß er nicht bei mir
eingelocht ist.» Herzliches Lachen.
«Sehr komisch.»
«He, he», sagte er und deutete
auf einen stark angeschlagenen Stuhl in einer schmuddeligen Ecke. «Reg dich ab.
Nicht etwa, weil ich nichts unternommen hätte.»
«Nein?» Ich strengte mich
richtig an, kein ungläubiges Gesicht zu machen, ohne Erfolg.
«Hör zu, Carlotta, wir haben
den Widerling festgenommen. Er hatte nichts bei sich.»
«Jay, der Typ hat mit
Sicherheit immer etwas bei sich gehabt, seit die Säuglingsschwester seinen
Arsch das erste Mal in Windeln gepackt hat.»
«Dachten wir auch, aber er
hatte nichts.»
«Nicht in der Aktenmappe?»
«Hatte keine Aktenmappe.»
«Die hat er wahrscheinlich
fallen lassen, als er gemerkt hat, daß ihr ihm auf den Fersen wart.»
«Ich war nicht dabei.»
«Selbstverständlich nicht, ein
so bedeutender Mann, wie du bist. Tsss, man sollte es nicht für möglich
halten.»
«Gut, wir haben die Sache
verpatzt. Aber wir haben auch etwas Interessantes erfahren.»
«Und das wäre?»
«Name, Datum, Nummer.
Strafregister, falls es dich interessiert — der Stinker mischt bei einer dicken
Sache mit.»
Ich wartete. Wenn Polizisten
lernen, Verdächtige zu verhören, lautet die erste Regel, den Verhörten nie zu
unterbrechen.
«Weißt du, wen der Bastard
angerufen hat, nachdem wir ihm etwas angehängt hatten? Wir haben ihm irgend so
eine Anklage wegen Landstreicherei verpaßt, weil wir sonst keine Beweise
hatten. Hätten ihn eigentlich mit einem Fußtritt rausbefördern sollen, aber wir
wollten mal sehen, was er für einen Schreck bekommt, wenn wir mit Ketten
rasseln. Und weißt du, wen er angerufen hat?»
Ich zuckte bedauernd die
Achseln.
«Wendell Heyer.»
Das war nun wirklich ein Name,
der zu denken gab. Wendell Heyer, ein Mann, der mehr als genug dazu beigetragen
hatte, dem Wort «Anwalt» einen so üblen Beiklang zu geben, daß es stank.
Gerüchten zufolge war der Mob nicht weit, wenn Wendell ins Spiel kam. Ich sage
Ihnen, das gab mir wirklich zu denken.
«Am besten machst du dir selbst
deinen Reim drauf», fuhr Jay fort. «Wenn du meinst, daß diese Mißgeburt in
eigener Sache unterwegs ist und nur zufällig genügend Scheinehen hat, um
Wendell zu engagieren, ist das dein Bier. Ich für mein Teil glaube aber, daß
wir nur das Schwanzende von irgendeiner dicken Geschichte erwischt haben, und
ich werde einige Zeit brauchen, bis ich zum Schlag ausholen kann.»
«Laß mich wenigstens die Akte
von diesem Kerl einsehen. Ich bin’s leid, ihn bei einem Spitznamen zu nennen.»
Zipfelbart hatte seinen eigenen
Spitznamen: Bud. Der arme Kerl war von seiner überglücklichen Mama, die ihn
wohl anbetete, vor sechsunddreißig Jahren Horace genannt worden. Horace «Bud»
Harold. Ich konnte förmlich das höhnische Schulhofgebrüll hören: «Hor-ace,
Hurenaas!» Zu einem kriminellen Leben bestimmt. Haben Sie je bemerkt, daß all
diese brutal wirkenden Fußballspieler Lynn, Marion und ähnlich heißen? Das sind
noch die Besten der merkwürdig Getauften. Der Rest landet hinter Gittern.
Buds Vorstrafenregister war
nicht eben schnell zu lesen; es war lang, bisher aber nur wegen kleinerer
Delikte. Mit achtzehn hatte er angefangen, Autos zu knacken. Entweder war er
bis dahin zu gut gewesen, um geschnappt zu werden, oder es gab über ihn, und
das war wahrscheinlicher, eine versiegelte Jugendstrafakte. Als 19jähriger
wurde er wegen eines bewaffneten Raubüberfalls eingelocht. Mit Bewährung.
Versuchte es noch einmal, nachdem er gesehen hatte, wie gut er dabei wegkam,
und schickte sein Opfer diesmal mit abgeschnittenem Ohr ins Krankenhaus. Vier
Jahre Haft in Concord, von denen er gute sechs Monate verbüßte. Gerade genug,
um einiges
Weitere Kostenlose Bücher