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Carlotta steigt ein

Carlotta steigt ein

Titel: Carlotta steigt ein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Barnes
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Toyota in seiner
gewohnten Parklücke auf dem Bishop Richard Allen Drive abgestellt, und da ich
schon mal in der Nähe war, lenkte ich meine Schritte wie von selbst zu Paolinas
Schule, einem häßlichen gelben Backsteingebäude mit Gittern vor den Fenstern
wie bei einem Gefängnis.
    Die Kinder waren alle draußen,
obgleich es eigentlich noch zu früh war für die Pause, Jungen und Mädchen
getrennt, genauso wie früher in meiner Grundschule in Detroit, nicht durch
einen entsprechenden Erlaß, sondern weil es so Brauch war. Ein rotgesichtiger
Lehrer mit einer Trillerpfeife an einer Kette um den Hals überwachte ein
spannendes Baseballspiel der Jungen. Die Mädchen spielten unlustig Volleyball,
ohne Aufsicht, was mich ärgerte. Warum sollte man auch die Mädchen solche
Spiele lehren, nicht wahr? Sie werden ja doch nie Millionen scheffeln bei
großen Turnieren, nicht wahr? Als ob all die kleinen Jüngelchen auf dem
Spielfeld heiße Tips wären. Ich hatte Lust, beim Spiel der Mädchen mitzumachen.
Sie anzuleiten.
    Ich gähnte und reckte mich und
befahl mir, gefälligst nicht so schlecht gelaunt zu sein. Wie schnell konnte
doch die Stimmung wechseln! Man brauchte nur den Kindern zuzuschauen. Sie
trugen knallige Farben und bewegten sich schnell. Gelbe und blaue Kleckse
schossen über den Sportplatz. Mir war, als blickte ich durch ein riesiges
Kaleidoskop auf einen zum Leben erwachten Farbenwirbel.
    Ich versuchte, anhand der
Farbtupfer herauszufinden, wo Paolina steckte. Die Kinder hatten meines
Erachtens das richtige Alter.
    Abseits stand ein weiß-brauner
Klecks. Ich kann schwören, daß sich meine Nackenhaare sträubten.
    Er stand hinter dem hohen Zaun,
halb verdeckt von einer Ziegelmauer, aber ich sah ihn gleich. Ich kannte ihn.
Der alte Zipfelbart mit seiner Mappe, der vorm Schulhof Dope verkaufte.
    Ich hatte die Wagentür schon
aufgerissen, ehe es mir überhaupt bewußt wurde, und mußte mich zwingen, die
Beine wieder hineinzuheben und mich zu beruhigen. Was konnte ich denn machen?
Den Typen vor fünfzig jungen Zeugen zusammenschlagen?
    Wie gerne hätte ich das getan,
Herrgott, wie gern.
    Statt dessen atmete ich tief
durch und zählte dabei bis zehn. Ich nahm meine einäugige Canon aus dem
abgeschlossenen Handschuhfach und machte mehrere Teleaufnahmen. Ich atmete noch
einmal tief durch und zählte dabei wieder bis zehn.
    Ich konnte meine kleine
Schwester auf dem Volleyball-Spielfeld erkennen. Ich war heilfroh, sie beim
Spielen zu sehen. Sie hielt sich zurück, das war klar zu erkennen, und überließ
einem größeren Mädchen die meisten Bälle. Aber sie spielte immerhin.
    Kein Zweifel, ich mußte ihr mal
ein paar Tricks im Volleyball beibringen.
    Ich winkte, obwohl sie mich
nicht sah, und fuhr ab.
    Weit brauchte ich nicht. Nur
eben bis zur Polizeiwache.
     
     
     

21
     
    Der einsame Parkplatz am
Bordstein, mitten vor dem Schild nur für Besucher der Polizeiwache war entschieden zu eng. Ich
zwängte den Toyota hinein, Stoßstange an Stoßstange mit zwei großen Schlitten,
und trabte die Eingangstreppe hinauf.
    Ich stand mit einem Cambridger
Kriminalbeamten namens Schultz — ich duzte ihn seit meiner Zeit an der
Polizeischule — wegen der Zipfelbart-Angelegenheit in Verbindung. Er brauchte
eine Ewigkeit, um auf den Anruf des diensttuenden Beamten am Schalter zu
reagieren; inzwischen überlegte ich mir, ob er über die IRA-Aktivitäten dieser
schönen Stadt Bescheid wissen könnte. Ich habe noch nie gehört, daß Iren
Schultz heißen, und höchstwahrscheinlich würde er mich nicht anlügen, wenn ich
ihn geradeheraus fragte. Andererseits sind Namen letztlich Schall und Rauch.
Würden Sie nicht auch beim Vornamen Carlotta eine Spur spanisches Blut in
meiner Familie erwarten? Nicht ein Tropfen.. Paps hat mich so nach einem Starlet
benannt, das einen Tag nach seinem Debüt beim Film in der Versenkung
verschwand.
    Selbst wenn Schultz für die
Kriminalität in Cambridge ein echter Experte war, hieß das noch längst nicht,
daß er auch über Boston Bescheid wußte. Cambridge und Boston arbeiten nicht
zusammen. Als Bostoner Taxifahrerin darf ich nicht einmal jemanden in Cambridge
auflesen, der mich anwinkt, was die Taxen in beiden Städten verteuert und die
Leute an den Straßenecken ärgert.
    Schultz eilte mir nicht gerade
über das Linoleum entgegen, als er mich sah, woraus ich schloß, daß er keinen
Finger gerührt hatte.
    Detective First Class Jay
Schultz sah aus, als würde er sich alle fünfzehn Minuten das Haar

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