Carlottas Kerker
nur Carlotta finden. Phil Diamond hatte uns zwar einiges angedeutet, aber viel wussten wir nicht über diese Frau, wobei wir allerdings annahmen, dass sie eine hier im Ort bekannte Person war.
»Wo fangen wir an?«, fragte Suko.
Ich drehte mich zur Seite und deutete auf ein graues Gebäude mit kleinen Fenstern und einem ebenfalls grauen Dach.
Es war das Rathaus, und wir sahen, dass es nicht geschlossen war, denn soeben wurde die Tür geöffnet. Ein Mann mit einer flachen Schirmmütze auf dem Kopf trat nach draußen. Er hatte sich Akten unter den linken Arm geklemmt und wollte damit zu einem Wagen gehen, der nicht weit von unserem Rover parkte.
Bevor er den Vauxhall erreichte, stand Purdy Prentiss schon neben ihm. Sie war die Schnellste von uns gewesen. Sie steckte voller Tatendrang, sprach den Mann an und präsentierte ihm zugleich ihren Ausweis.
»Oh, eine Staatsanwältin aus London.« Er legte die Akten auf das Autodach. »Was kann ich für Sie tun?«
»Kennen Sie sich hier aus im Ort?«
Der Mann lächelte. Über der Oberlippe wuchs ein rötlicher Bart. »Und ob ich mich hier auskenne. Ich bin seit einigen Jahren der Bürgermeister oder der Inselschreck, wie man mich auch nennt.«
»Wunderbar, dann können Sie uns sicherlich eine Auskunft geben.«
»Uns?« Er schaute jetzt Suko und mich an. »Sind das Ihre Mitarbeiter?«
»ja.«
Wir nickten dem Mann zur Begrüßung zu und überließen ansonsten Purdy Prentiss das Feld.
»Wenn Sie sich hier gut auskennen, dann dürfte Ihnen auch der Name Carlotta...«
Der Mann ließ Purdy nicht zu Ende reden. »Sie meinen vielleicht Carlotta Crane, die Psychotante?«
»Psychotante?«
»Nun ja, das sagen wir hier. Sie ist Psychologin und hat hier im Ort ihre Praxis. Die betreibt sie zusammen mit Lucas, ihrem Mann. Die beiden sind bekannt, denn sie haben tatsächlich einen gewissen Zulauf. Nicht hier von der Insel, sondern vom Festland.«
»Dann scheinen sie Kapazitäten zu sein.«
»Das muss man so sehen.«
»Kennen Sie das Ehepaar besser?«
Der Mann lächelte wieder. »Nun ja, das ist eine gute Frage. Natürlich kenne ich sie. Das Paar gehört ja zu den bekanntesten Persönlichkeiten. Wenn hier mal ein Event stattfindet, zumeist im Sommer, dann sind auch sie mit dabei. Wie gesagt, man kann sie als prominent bezeichnen.«
»Und beide arbeiten in der Praxis?«
»Ja.«
»Danke. Jetzt müssen Sie mir nur sagen, wo wir das Ehepaar finden können.«
»Das ist gleich hier um die Ecke«, sagte der Bürgermeister. »Wir haben hier in unserer Stadt einen kleinen Kern. Dort sind alle wichtigen Posten versammelt. Der Arzt, der Apotheker, die Geschäfte und auch die Vermieter der Stellplätze für die Wohnmobile. Das alles muss ja nahe zusammen sein. Weite und Leere haben wir genug.«
»Danke für die Auskunft, Mister...«
»Ich heiße Flash. Aber nicht Flash Gordon, sondern Leo Flash.«
Purdy hatte ihren Namen schon preisgegeben. Jetzt stellte sie auch uns vor. Danach fragte der Bürgermeister: »Ich bin schon ein wenig neugierig geworden. Darf ich fragen, was Sie von dem Paar wollen?«
»Es geht nur um einige Auskünfte.«
»Über ihre Patienten?«
Purdy lächelte. »Genau.«
Leo Flash nickte. »Die Leute meinen ja, dass hin und wieder Verrückte hierher kommen, um sich behandeln zu lassen. So drastisch sehe ich das nicht. Für mich brauchen die Menschen wirklich Hilfe.«
»Ja, da sagen Sie was.«
Ich schob mich vor, denn ich wollte eine Frage stellen. »Wohnt das Ehepaar Crane denn auch gleich um die Ecke, oder liegt da nur die Praxis?«
»Nur die Praxis. Die Cranes wohnen etwas außerhalb. Wenn Sie nach Nordosten fahren, können Sie den Bau gar nicht übersehen. Er steht auf dem Kamm einer Hügeldüne. Es ist kein Holzhaus, wie man es hier so oft antrifft. Der Bau stammt noch aus dem Zweiten Weltkrieg. Die älteren Bewohner erzählen, dass man früher dort Munition gelagert hat. Außerdem war es ein Horch- und Beobachtungsposten. Später stand es dann leer und wurde irgendwann von den Cranes gekauft. Aber die Praxis finden Sie hier.«
»Sicherlich haben Sie das Ehepaar auch schon besucht, Mr. Flash.«
Der Bürgermeister runzelte die Stirn, dabei schaute er mich misstrauisch an. »Ich will Ihnen ja nichts, doch allmählich habe ich das Gefühl, als wären Sie mehr an den Cranes interessiert.«
Ich lächelte ihn an. »Sie kennen doch die Polizei. Wenn die anfangen zu fragen, fällt ihnen immer wieder etwas Neues ein. Auch für uns ist es nicht normal, dass
Weitere Kostenlose Bücher