Carlottas Kerker
als Ärzte aus!«
»Sie betreiben eine Praxis, nicht wahr?«
»Ja, aber mit ihrer Arbeit kommen die meisten Bewohner hier auch nicht zurecht. Das ist alles nicht besonders gut. Wir sind ein besonderes Volk, und Typen wie die beiden brauchen wir nicht. Manche denken anders darüber, aber ich nicht.«
»Waren Sie schon mal im Haus der Cranes?«
»Nein, nein...« Die Frau schüttelte heftig den Kopf. »Da zieht mich auch nichts hin.«
»Warum nicht?«
»Ist nicht mein Ding. Alles zu dunkel, zu düster, zu fremd. Wie die Cranes auch, obwohl ich zugeben muss, dass sie verdammt hübsch ist. Eine tolle Frau, und bestimmt gehen auch viele nur dort hin, weil sie so gut aussieht.«
»Klar, das gibt es.«
»Aber das mit der Fernsehsendung... Und eine Nacht mit ihr als Gewinn! Also, ich weiß nicht, ob das wahr ist, aber das widerspricht jeder Moral, auch wenn ich bestimmt kein altmodisch denkender Mensch bin!«
»Was ist mit ihrem Mann? Was sagt der dazu?«
»Ach, das ist ein Arsch.«
Da mussten wir beide lachen.
»Ja, ich sage, wie es ist. Arrogant. Einer, der sich zum Glück nicht oft blicken lässt. Es gibt auch Menschen hier, die haben Angst vor ihm. Vor seinem Blick. Wenn der Sie anschaut, kann man den Eindruck bekommen, dass er Ihre Seele fressen will. Ja, so ist das mit diesem Lucas Crane. Wenn er mal zu uns kommt, dann hole ich immer meinen Mann, damit der ihn bedienen kann. Ich verstehe nicht, wie man sich als Frau an einen solchen Kerl hängen kann.« Sie schüttelte sich und kümmerte sich um ein junges Mädchen, das soeben den Laden betrat und sich eine Tüte Chips &Fish bestellte.
Suko schaute mich an, während ich einen Schluck Wein trank, der wirklich gut schmeckte. »Man hat über die Cranes nicht eben eine gute Meinung. Wie siehst du das?«
»Abwarten. Wir sollten uns selbst ein Bild über sie machen. Trotzdem muss ich sagen, dass es passt.«
»Ja, das meine ich auch.«
Ich aß das letzte Stück Fisch. Suko hatte seinen schon vertilgt. Ich wischte mir die Lippen noch mit der Serviette ab, trank das Glas leer und nickte Suko zu.
Auf dem Weg zur Tür meldete sich wieder die Besitzerin. »Bleiben Sie länger hier bei uns auf der Insel?«
»Ich denke nicht«, antwortete ich.
Sie schielte uns von der Seite her an. »Sie wollen zu den Cranes, wie?«
»Kann man so sagen.«
»Gut, ich nehme trotzdem nichts von dem zurück, was ich gesagt habe. Das können Sie bei denen ruhig deutlich machen.«
Ich trat bis an die Theke heran. »Keine Sorge, Ma’am, es kann sogar sein, dass Sie uns einen Gefallen getan haben. Und noch mal: Der Fisch war ausgezeichnet.«
»Danke, und geben Sie auf sich Acht. Dieser Crane macht mir einen gefährlichen Eindruck.«
»Wir werden daran denken.«
Danach verließen wir das Geschäft. Als das Bimmeln an der Tür hinter uns verklungen war, deutete Suko zum Himmel. Die Bläue hatte sich verzogen, die Wolken ballten sich wieder zusammen, und bald würde das erste Grau der Dämmerung über den Himmel schleichen.
»Wir sollten losfahren«, schlug Suko vor.
Dagegen hatte ich nichts einzuwenden. Aber meine Gedanken waren bei Purdy Prentiss...
***
Der Herbst hatte die Blätter des wilden Weins an der Hausmauer mit einer tiefroten Farbe übergossen, die bereits einen Stich ins Bräunliche bekommen hatte. Bald würden auch diese Blätter abfallen, noch aber umgaben sie den Eingang des Hauses, in dem das Ehepaar Crane seine Praxis hatte.
Dass die sich im Haus aufhielten, davon zeugte das Licht, das hinter den Fenstern im Erdgeschoss brannte. Um an die Haustür zu gelangen, musste Purdy Prentiss zunächst die vier Stufen einer leicht krummen Treppe überwinden. Danach stand sie vor der grün gestrichenen Tür, sah auch das Schild, das auf die Praxis hinwies, und sie entdeckte die Klingel daneben.
Die Staatsanwältin schellte.
Sie hörte hinter den dicken Mauern nicht den Klang der Glocke, aber recht schnell wurde ihr geöffnet.
Vor ihr stand Carlotta Crane. Das musste sie einfach sein. Eine Frau im weißen Kittel, der stark von ihrer dunklen Haarpracht abstach. Sie hatte auch dunkle Augen, aus denen sie die Besucherin leicht fragend und auch misstrauisch anschaute.
»Sie wünschen?«
»Dr. Crane?«
»Das bin ich.«
»Ich hätte gern...«
Die Frau ließ Purdy nicht aussprechen. »Was immer Sie auch möchten, Madam... heute nicht mehr. Ich werde die Praxis schließen oder habe sie schon geschlossen. Ich kann Ihnen nur anbieten, einen Termin auszumachen.«
»Das wird mir
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