Carlottas Kerker
nichts bringen. Ich muss jetzt mit Ihnen reden. Es ist wichtig.«
»Alle Patienten sagen das. Ich glaube es Ihnen auch, aber...«
Purdy unterbrach die Frau. »Pardon, aber ich bin nicht als Patientin zu Ihnen gekommen.«
»Nicht? Als was dann?«
»Ich heiße Purdy Prentiss, ich komme aus London und bin Staatsanwältin.« Den Ausweis hielt sie schon in der Hand. »Hier, meine Legitimation, Mrs. Crane.«
»Und was wollen Sie von mir?«
»Das möchte ich nicht zwischen Tür und Angel bereden. Wir sollten vielleicht hineingehen.«
Dr. Crane sagte nichts. Sie schaute der Frau nur scharf ins Gesicht und nickte schließlich. »Ja, meinetwegen, kommen Sie herein.«
»Danke. Sind Sie allein?«
»Was interessiert Sie das?«
»Ich las auf dem Schild noch einen anderen Namen.«
»Das ist mein Mann.«
»Ah ja.«
»Wussten Sie das nicht?«
Purdy hob die Schultern. So entging sie einer Antwort. Die Tür wurde hinter ihr geschlossen.
Das Haus war auch von außen her nicht groß, und in seinem Innern setzte sich dies fort. Man hatte keine Wände herausgerissen, um größere Räume zu schaffen, doch es gab recht viele Türen, die offen standen und zu kleinen Zimmern führten.
Es war recht warm. Die hell gestrichenen Wände vermittelten einen freundlichen Eindruck, aber Purdy fühlte sich nicht unbedingt wohl, denn von Lucas Crane sah sie nichts, doch sie hatte das Gefühl, dass er irgendwo im Hintergrund lauerte.
»Viel Zeit habe ich allerdings nicht, Mrs. Prentiss. Mein Mann und ich müssen am Abend noch einen Termin wahrnehmen.«
»Keine Sorge«, erklärte Purdy lächelnd, »es wird nicht lange dauern.«
»Das ist gut. Hier hinein, bitte.« Carlotta Crane deutete auf eine offene Tür, die in einen Raum führte, der als Büro eingerichtet war. Es gab einen kleinen Schreibtisch, einen Computer und schmale Regale an den Wänden, in denen Bücher standen. Keine Couch, kein Sessel, auch kein Tisch. Dafür einen Stuhl, auf dem die Besucherin Platz nehmen konnte.
Carlotta setzte sich hinter ihren Schreibtisch und schaute sie aus ihren großen Augen an. »So, jetzt würde ich gern von Ihnen erfahren, was Sie zu mir geführt hat.«
»Wie ich schon sagte, es geht nicht um mich, sondern um einen...«
»... Fall?«
»Das kann man so sagen.«
»Sie kommen aber nicht von hier.«
»Nein, ich bin aus London hergekommen. Das sagte ich schon.«
»Ahhh... verstehe.« Dr. Crane deutete ein Nicken an, das schnell in ein Kopfschütteln überging. »Nur wüsste ich nicht, was ich mit London zu tun habe. Für manche Bewohner hier ist die Hauptstadt so weit weg wie der Mond.«
»Das kann ich nachvollziehen, aber ich glaube trotzdem, dass Sie eine Verbindung zu dieser Stadt haben.«
»Und wie sollte die aussehen?«
»Es geht um einen Mann. Er heißt Eric Paine.«
Carlotta Crane sagte zunächst nichts. Sie senkte nur ein wenig den Kopf und gab sich den Anschein, als würde sie nachdenken, was ihr Purdy nicht abnahm.
»Kennen Sie ihn nicht?«
»Lassen Sie mich nachdenken.« Die Psychologin murmelte den Namen einige Male vor sich hin und gab sich recht geistesabwesend.
Purdy schielte dabei zur Seite. Sie stellte fest, dass die Tür hinter ihr nicht geschlossen war, was ihr nicht eben gefiel.
»Ja«, sagte Carlotta Crane plötzlich. »Jetzt habe ich es. Natürlich kenne ich ihn. Ich muss mich entschuldigen, Mrs. Prentiss, aber bei den vielen Namen, die mir begegnen, kann man leicht den einen oder anderen vergessen.«
»Das ist nicht tragisch. Ich habe Ihnen ja auf die Sprünge geholfen.«
»Gut. Und was ist mit Eric Paine?«
»Er ist tot!«
Es war eine schlichte Antwort, bei der Purdy die andere Frau nicht aus dem Blick gelassen hatte. Sie wollte die Reaktion sehen und daraus gewisse Schlüsse ableiten, aber die Psychologin hatte sich perfekt in der Gewalt und spielte zudem auf der Klaviatur ihrer Gefühle.
»Nein, sagen Sie das nicht. Das kann doch nicht wahr sein. Ich weiß ja nun wieder, wen Sie meinen und erinnere mich auch an ihn. Eric Paine war gar nicht so alt.«
»Das stimmt. Ich schätze ihn auf Mitte dreißig.«
»Und wie ist er gestorben?«
»Er wurde umgebracht, und zwar auf eine schreckliche Art und Weise. Sein Mörder hat ihn regelrecht zerrissen und verstümmelt. Er bot keinen schönen Anblick mehr.«
Carlotta Crane schloss für einen Moment die Augen. Sie sprach vor sich hin, ohne dass Purdy etwas verstand. Danach stellte sie eine Frage, die ihr die Besucherin nicht abnahm.
»Wer tut denn so
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