Carlottas Kerker
holen.
»Ich kann nichts Genaues sagen, sondern nur Vermutungen anstellen. Es muss mit dieser Carlotta Zusammenhängen. Er ist bei ihr gewesen, aber ich weiß nicht, was dort geschah. Sie muss ihn unter ihre Kontrolle bekommen haben. Ihr Einfluss muss so groß gewesen sein, dass er sich selbst umbrachte. Mehr weiß ich auch nicht.«
Ich hatte alles gehört und dachte dabei an Saladin, den Hypnotiseur. So eine Tat wies auch auf ihn als Person im Hintergrund hin, aber ich glaubte nicht, dass er hier mitmischte.
Ich drehte mich wieder um. Die Tasse Kaffee hielt ich in der rechten Hand. Purdy sprach auch von den zwei anderen Gewinnern des Spiels, die sich ebenfalls selbst getötet hatten.
»Was machen wir?«, fragte sie abschließend. »Bleibt es bei unserem Plan, nach West Mersea zu fahren?«
Ich nickte. »Eine andere Alternative sehe ich nicht. Wir müssen nahe an sie heran. Von London aus werden wir nichts erreichen können, das steht mal fest.«
Glenda hatte bisher nur zugehört. Jetzt mischte sie sich ein. »Was wisst ihr überhaupt von dieser geheimnisvollen Carlotta?«
Purdy Prentiss drehte sich zu ihr hin. »Nichts«, sagte sie leise. »Oder zu wenig. Aber das wird sich ändern.«
»Es muss sich ändern«, sagte Glenda. »Ich kann mir vorstellen, dass diese drei Männer oder Gewinner mit einem gewissen Auftrag losgeschickt worden sind. Berichtigt mich, wenn ich falsch liege.«
»Ja, das wäre möglich.«
»Purdy Prentiss hat mir von einem Monster erzählt. So etwas Ähnliches wie ein Flugsaurier. Stimmt das?«
»Sie hat es gesehen.«
Glenda schüttelte den Kopf. »Wie kann ein solches Wesen denn existieren?«
»Wir wissen es nicht, aber wir werden es herausfinden.« Ich hatten für Glenda noch eine Aufgabe. »Wenn Sir James eintrifft, könntest du ihn informieren.«
»Das wird erst gegen Mittag sein.«
»Egal.« Ich hatte bisher auf der Kante des Schreibtischs gesessen und rutschte davon weg.
Glenda hielt mich am linken Arm fest. »Bist du sicher, John, dass nicht doch Saladin dahinter steckt?«
»Sicher bin ich mir nicht. Aber ich glaube nicht daran. Das ist nicht sein Spiel, verstehst du? So läuft das nicht.«
»Wenn du das sagst.«
Ich schaute ihr in die Augen, in denen ich den zweifelnden Ausdruck erkannte. »Glaube mir, das ist so.«
»Okay, dann drücke ich euch die Daumen.«
»Danke.«
Mit nicht eben fröhlichen Gesichtern verließen wir Glenda’s Büro. Ein jeder von uns ahnte, dass an der Ostküste alles andere als ein Urlaub auf uns wartete...
***
Wir hatten die A 120 genommen, waren in Richtung Osten gefahren und bei Colchester über die B 1025 in Richtung Süden, immer der Küste entgegen.
Ich hatte bisher nicht gewusst, dass West Mersea auf einer Insel lag. Sie war durch eine Brücke mit dem Festland verbunden, und just, als wir auf diese Verbindung fuhren, riss der Himmel plötzlich auf. Schon seit ungefähr zehn Minuten hatten wir die Lücken gesehen, jetzt aber wurden die Wolken regelrecht aufgefetzt, und als wir Mersea Island erreichten, da strahlte die Sonne auf uns herab.
Auf der Insel gab es nur zwei Ortschaften, West Mersea und East Mersea. Dorthin führte eine einsame Straße durch die Hügellandschaft. Wir sahen auch Hinweisschilder auf Campingplätze und sogar auf eine alte Mühle, die an der Küste stand.
Von Norden her fuhren wir in den Ort hinein. Es war ein typischer Küstenort. Hier gab es keine hohen Häuser. Die Bauten standen recht verstreut, und nur in der Nähe des Wassers drängten sich die Häuser dicht zusammen. Hier gab es auch die meisten Geschäfte. Der Sommer hatte das Land verlassen, und mit ihm waren auch die Touristen verschwunden. Wer sich jetzt im Oktober noch auf der Insel aufhielt, der gehörte zu den wirklichen Freaks, denen auch Wind und Regen nichts ausmachten. Sie wollten sich einfach nur erholen und genossen dabei die karge Landschaft und die relative Nähe des Strandes, den Wind und die Wellen, die wie die Noten eines immerwährend gespielten Musikstücks an die Ufer schäumten und sich dort verliefen.
Wer hier einatmete, der schmeckte die Luft. Das war auch bei uns der Fall. Sogar Purdy Prentiss fühlte sich wieder fit. Was weniger an der Luft lag als daran, dass sie während der Fahrt geschlafen hatte.
Nach dem Aussteigen lächelte sie und reckte sich. »Ach, Freunde, das tut gut.«
»Dann können wir ja Urlaub machen«, meinte Suko.
»Schön wär’s.«
Wir dachten an unsere Aufgabe, und die war recht einfach. Wir mussten
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