Carlottas Kerker
nicht, ob ich mich noch auf ihn verlassen konnte. Deshalb hat ihn Lucas geholt.«
... Lucas geholt!
Purdy Prentiss hatte den Satz gehört. Doch erst bei genauem Nachdenken erkannte sie, was das bedeutete!
»Ich... habe aber nicht Lucas gesehen«, stammelte sie, »sondern ein... ein Monster!«
»Klar, Purdy. Wenn Sie das sagen, wird es wohl stimmen. Lucas ist beides, Mensch und Monster.«
»Das... das glaube ich nicht.«
Die Psychologin hob lässig die Schultern. »Ich kann dich verstehen, denn auch ich hätte so was nie für möglich gehalten. Bis ich auf Lucas traf. Da habe ich mich vom Gegenteil überzeugen lassen. Es gibt Menschen, die beides sind, und das schon seit Urzeiten. Man hat auch einen besonderen Namen für sie. Es sind die Kreaturen der Finsternis, und Lucas gehört zu dieser Gruppe. An seiner Seite kann auch ich meine dunkle Seite ausleben, die in jedem von uns steckt. Auch wenn es uns bei den ersten drei Männern nicht gelungen ist, sie voll und ganz auf unsere Seite zu ziehen, so wird das in der Zukunft anders aussehen. Wir werden uns eine Macht heranzüchten und anschließend gewisse Leute nach unserer Pfeife tanzen lassen.«
Purdy unterdrückte ihren Schrecken und fragte: »Wollen Sie aus normalen Menschen Kreaturen der Finsternis machen?«
»Das wird wohl sehr schwer sein. Ich denke eher, dass sie zu Helfern werden.«
»Klar, und sie werden sich dann selbst umbringen.«
»Nein, nicht mehr, denn ich werde sie darauf trimmen, dass sie das nicht mehr tun.«
»Das glaube ich Ihnen sogar.«
»Danke.«
»Und wie soll es weitergehen? Was ist denn Ihr Ziel? Sie müssen doch ein Ziel haben.«
»Ja, das habe ich auch.« Plötzlich glänzten Carlotta’s Augen, und der weiche Zug auf dem Gesicht verschwand. »Ich habe ein Ziel, und das heißt Macht. Einfach nur Macht. Ich möchte eine Macht über Menschen besitzen, die Kontakt mit der anderen Seite haben, verstehst du?«
»Sagen Sie einfach Hölle! Dorther stammen die Kreaturen doch sicherlich – oder?«
»Gut, bleiben wir dabei!«
»Und Sie versuchen also über die Kreaturen der Finsternis Kontakt zum Teufel zu bekommen?«
»Ja, denn die Veränderten werden für die Botschaften des Teufels sehr empfänglich sein. Und ich bin der ideale Lockvogel.«
Purdy nickte. »Das kann ich mir vorstellen. Sie sind eine hübsche Frau.«
»Oh, danke, Gnädigste, danke sehr, aber so, wie ich jetzt aussehe, erleben mich die Gewinner nicht.«
»Wie dann?«
»Ich werde es Ihnen zeigen, keine Sorge. Und Sie werden ebenso überrascht sein wie der Mann, den ich Lucas genannt habe und den ich auf dieser Insel traf. Kein Mensch wusste von ihm. Er hielt sich in einer Höhle hier unter dem Haus versteckt. Das heißt, man kannte ihn schon, aber nur tagsüber. Da arbeitete er bei einem Fischhändler. Bei Dunkelheit verschwand er. Wer ihn fragte, wohin, der bekam nur die Antwort: irgendwo an den Strand. Es ist leider sein Fluch, dass er nicht in einer Gestalt leben kann, sondern sich diese immer wieder verändert.« Sie richtete sich im Sitzen auf. Dann fiel sie wieder in den vertrauten Tonfall zurück. »So, und jetzt werde ich dir zeigen, wie mich die Gewinner gesehen haben und wie sie vor Erregung fast vergingen.«
Die Staatsanwältin ahnte, was die Frau vorhatte. Und damit lag sie richtig, denn Carlotta Crane fing damit an, sich vor Purdy’s Augen auszuziehen.
Sehr schnell legte sie ihre Kleidung ab und lächelte dabei. Schließlich blieb sie fast nackt vor ihr stehen. Bekleidet nur mit einem durchsichtigen Oberteil und mit einem winzigen Höschen, das soeben das Nötigste verdeckte.
Sie hob die Arme an und strich mit den gespreizten Händen durch die dunkle Flut ihrer Haare.
»Nun, was sagst du?«
»Ich bin beeindruckt. Wäre ich ein Mann, würde ich mir so etwas auch als Hauptgewinn wünschen.«
»Danke, das klang sogar ehrlich. Aber ich bin kein Hauptgewinn. Mich kann man damit nicht locken. Ich bin – für ihn gedacht!«
Als hätte die Crane ein Stichwort gegeben, war plötzlich das Brüllen zu hören, das aus einer unteren Etage oder dem Keller klang. Ein mörderischer Laut, der bei Purdy Prentiss einen Schauer hinterließ und bei Carlotta für ein Lächeln sorgte.
»Hast du es gehört? Er ist bereits so weit. Er wartet auf dich in meinem Kerker.«
Purdy Prentiss schluckte. Zugleich schüttelte sie den Kopf. Wenn sie bisher noch irgendwelche Zweifel gehabt hatte, so waren diese nun durch das mächtige Brüllen ausgeräumt worden. Und sie wurde
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