Caroline
Zimmer, um feststellen zu können, ob andere Dinge fehlen?«
Wieder biss sie sich auf die Lippen; das Thema war ihr unangenehm. »Die Polizei hat nach ihrem Pass gefragt, aber ich konnte ihn nicht finden. Es kann sein, dass sie ihn immer in ihrer Tasche trägt, oder aber sie hat ihn absichtlich mitgenommen. Ich wäre dir ja gerne eine größere Hilfe, aber …« Sie starrte hinüber zum Fenster und seufzte. »So ist es nun mal.«
»Geht Caroline oft aus?«
»Manchmal geht sie ins Kino. Tagsüber ist sie viel mit dem Moped unterwegs. Bei schönem Wetter fährt sie in die Wälder, in die Lage Vuursche oder in Richtung Hollandse Rading.«
»Ganz alleine?«
Valerie wandte den Blick ab. »Soweit ich weiß, ja.«
Tja. »Ist ihr Moped noch da?«
»Ja, in der Garage.«
Ich nahm mein Notizbuch und einen Kugelschreiber zur Hand. »Hat sie kein Auto?«
»Ich habe ihr gesagt, sie solle den Führerschein machen, aber sie hat nie Fahrstunden genommen, sie braucht kein Auto.«
»Hat sie einen Freund?«
»Nicht dass ich wüsste.«
»Sex?«
Valerie schüttelte den Kopf. Ich wartete, bis sie mich ansah, und bemerkte: »Du bist mit achtzehn schon schwanger geworden.«
Sie errötete heftig. Es wunderte mich, dass ihr das noch passierte. Als sei ihre frühe Schwangerschaft ein wunder Punkt, der selten oder nie berührt wurde und noch von keiner schützenden Hornhaut bedeckt war, ebenso verletzlich wie die Tochter, die daraus hervorgegangen war.
»Hast du damals geheiratet?«
»Ja, da war ich neunzehn. Ich bin schon seit fünfzehn Jahren geschieden. Aber das hat ja wohl kaum etwas mit dieser Angelegenheit zu tun.«
Zweifellos hatte sie ihre selbst gestrickten Gründe dafür, Caroline auf Distanz zu halten. Nicht nur weil sie wahrscheinlich die schönste Mutter der Niederlande war und Caroline die hässlichste Tochter, auf deren Begleitung zu den Modehäusern sie wohl kaum Wert legte, sondern hauptsächlich, weil die Boulevardblätter natürlich auch rechnen konnten und eine Teenagerschwangerschaft nicht zum Image eines Topmodels passte.
Ich hätte ein paar unangenehme Fragen zu diesem Thema gehabt, doch ich beschloss, sie vorerst nicht zu stellen. Selbst wenig liebevolle Mütter konnten überaus mütterlich und beschützend werden, wenn das eigene Kind in Gefahr schwebte. Ihre Tochter war verschwunden und womöglich stand ihr noch reichlich Kummer bevor.
»Ich habe den Eindruck, dass ihr euch nicht besonders gut versteht, du und Caroline.«
Valerie schwieg eine Weile mit verkniffenen Lippen. »Sie war ein schwieriges Kind«, sagte sie dann. »Schon als sie noch ganz klein war. Nach meiner Scheidung wollte ich endlich mein eigenes Leben führen, Karriere machen. Meine Eltern in Drenthe erklärten sich glücklicherweise dazu bereit, sie zu sich zu nehmen. Karel blieb bei ihnen, bis sie die Grundschule beendet hatte. Dann bot sich mir die Möglichkeit, dieses Haus zu kaufen. Ich hielt es für richtig, dass Karel hier in Hilversum die höhere Schule besuchte. Sie ist äußerst intelligent und hatte im Unterricht keinerlei Probleme. Aber zu Hause machte sie von Anfang an nichts als Schwierigkeiten. Sie wurde aufsässig, warf Gegenstände kaputt und nutzte jede Gelegenheit, um mich zu blamieren. Ich habe alles versucht, Klavierstunden, Tennis.« Valerie stieß einen Seufzer aus. »Ich glaube, sie wäre lieber ein Junge geworden. Schließlich habe ich den Speicher für sie ausbauen lassen und seitdem führen wir beide mehr oder weniger unser eigenes Leben.«
Ich hörte ihr zu und kratzte dabei mit dem Stift auf der Stelle herum, an der ich mir Namen notieren wollte. »Hat dein Exmann Kontakt zu ihr?«
»Nein. Dolf ist zum zweiten Mal verheiratet …« Sie schüttelte unsicher den Kopf. »Nicht dass ich wüsste.«
»Trotzdem brauche ich seinen Namen und seine Adresse.«
»Dolf Romein. Er wohnt in Leusden, aber er wird dir nicht weiterhelfen können.«
»Warum hast du seinen Namen behalten?«
»Nun, es war einfacher, und schließlich heißt Karel auch Romein.«
Dieses Argument erschien mir nicht besonders plausibel. »Wie lautet dein Mädchenname?«
Wieder reagierte sie zurückhaltend und der Name kam heraus wie ein mühevolles Geständnis. »Fuck.«
Ich unterdrückte ein Lachen. Wahrscheinlich hatte einer ihrer Vorfahren irgendwann mal das ›u‹ gekauft, aber im englischsprachigen Ausland kam ein Topmodel damit natürlich vom Regen in die Traufe. Romein war sowohl unverfänglicher als auch schicker. »Habt ihr sonst
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