Caroline
pseudolinken Intellektualismus, der wiederum nicht zu den kostspieligen Materialien, den weißen Pelzdecken und vor allem zu dem sorgfältigen Arrangement passte, das aussah, als warte es stets auf die Fotografen der Vogue. Alles war weiß und rein.
Der Anwalt führte mich zur Sitzgruppe in der vordere Hälfte des Raumes und fragte, ob ich etwas trinken wolle.
»Danke, im Moment nicht. Wo ist Mevrouw Romein?«
»Sie telefoniert gerade.« Er wies mit einem Nicken auf die gefliesten Stufen im Hintergrund. »Sie hat dort ihr Büro, neben dem Badezimmer.«
Ich ließ mich in das weiche Leder sinken, betrachtete all das teure Weiß und dachte bei mir, wie leicht man doch Opfer seines eigenen Interieurs werden konnte. Doch zumindest besaß Valerie genügend Geschmack, um nicht, wie die meisten anderen Models und Starlets, die Wände mit Fotos und Plakaten von sich selbst zu tapezieren. Lediglich ein einziges kunstvolles Schwarz-Weiß-Poster zeigte Valerie am Meer, ein schickes Parfümfläschchen auf einem Felsen neben ihr. Von Caroline war kein Foto zu sehen. Dazu hätte es eines dritten, noch eigenwilligeren Innendekorateurs bedurft.
»Wann haben Sie Caroline zum letzten Mal gesehen?«, fragte ich.
Donkers machte ein überraschtes Gesicht und krümmte die Finger zur Brust. »Sie meinen: Ich persönlich?«
»Ja, es sei denn, Sie sind nicht Sie selbst. Aber auch dann würde ich Ihnen diese Frage stellen, wenn ich Sie hier antreffen würde.« Ich wollte ihn ein bisschen verwirren, weil ich es hasse, wenn Dritte bei einer ersten Unterredung anwesend sind, unabhängig davon, ob Valerie nun das Bedürfnis nach moralischer Unterstützung oder Anwaltssachverstand hatte oder nicht. Doch meine Absicht schlug fehl; ein kühler Kopf ist im Anwaltshonorar inbegriffen. Er ärgerte sich noch nicht einmal.
»Freitag vor einer Woche«, sagte er. »Gegen fünf Uhr nachmittags. Wir kamen gleichzeitig hier an, Karel auf dem Fahrrad, ich mit dem Auto.«
Wieder dieses ›Karel‹, und das als Name für ein Mädchen, das ohnehin schon hässlich war. »Gehört der schwarze Volvo Ihnen?«
»Ja.«
»Warum nennen Sie Valeries Tochter Karel?«
»Gibt es einen Grund für dieses Verhör?«
»Ja. Das gehört zu meiner Arbeit.«
Zu seiner auch, falls er Strafverteidiger war. »Okay«, sagte er nach einer kurzen Stille. »Valerie nennt sie immer so, nie anders.«
»Aber sie ist ja auch ihre Mutter.«
»Ich habe keine andere Begründung«, sagte Donkers.
»Sind Sie verheiratet?«
Ich sah, dass er wütend wurde. »Was soll diese Frage?«
Also ja. Außerdem trug er einen Ehering. »Nur so, aus Interesse«, antwortete ich. »Vielleicht machen wir gleich noch den Rorschach-Test.«
»Sie sind nicht meinetwegen hier, sondern wegen Caroline.«
Ich schaute ihn unbewegt an. »Wissen Sie, wo Caroline an jenem Freitag mit dem Fahrrad herkam?«
»Nein.« Er schüttelte den Kopf.
»Sind Sie an jenem Abend zum Essen geblieben?“
»Nein, ich habe Valerie abgeholt. Wir waren mit Leuten von einer Modezeitschrift zum Essen verabredet. Ich musste sie begleiten, es ging um Verträge.«
»Durfte Caroline mit?«
»Nein.« Rasch relativierte er seine Antwort: »Ich meine, na ja, was heißt, sie durfte nicht … Sie kommt eigentlich nie mit.«
Es war eine dumme Frage, aber ich musste mein Unbehagen einfach loswerden, ich konnte nicht anders. »Und sie ist seit letzter Woche Mittwoch verschwunden?«
Donkers wurde nervös. »Tja, da sind wir uns eben nicht ganz sicher.«
Dieses ›wir‹ reizte mich allmählich genauso wie der Spitzname ›Karel‹. »Was heißt denn ›wir‹ genau?«, fragte ich daher unverblümt.
»Ich bin mit Valerie befreundet«, sagte er vorsichtig. »Carolines Verschwinden betrifft mich ebenfalls.«
»So sehr, dass Sie auch die dazugehörige Verantwortung auf sich nehmen?«
»Ich weiß nicht, was Sie damit sagen wollen«, erwiderte er abweisend.
Ich dachte an CyberNel. »Nun ja, ich meine so ganz im altmodischen Sinne, mit allen Vor- und Nachteilen?«
»Hören Sie mal, ich glaube nicht, dass Sie hier …«
Vielleicht hatte sie zugehört und betrachtete dies als ihr Stichwort. Donkers schwieg und ich stand auf, als Valeries Absätze die Fliesenstufen vom Souterrain hinaufklickten und sie an dem Bettpodest vorbei auf uns zukam, sie trug bequeme Kleidung, die Nel später als Designeroutfit aus einer der Boutiquen von Sarah B. in Paris oder Molinari in Mailand identifizierte. Normale Kleidung besaß sie wahrscheinlich
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