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Carpe Somnium (German Edition)

Carpe Somnium (German Edition)

Titel: Carpe Somnium (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Marino
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hast, um dir Sachen zu kaufen, die Platz brauchen.«
    Der Zigeunerkarren scherte polternd nach links aus. Mistletoe beschleunigte, schlängelte sich an drei weiteren Blocks und einer Kolonne Scooter vorbei und bog dann scharf nach rechts ab, hinein in eine ruhige Seitengasse, die von tränenförmig zurechtgestutzten Büschen gesäumt war. Tante Dita sagte immer, hier unten zu leben bedeute, dass alle ihren Teil zur Verschönerung beizutragen hätten. Obwohl sie sich eigenhändig um die Büsche kümmerte, sie täglich wässerte und beschnitt, waren dennoch braune, vertrocknete Stellen zu sehen. Selbst die Tageslichtlampen am Sphärenschild konnten den Mangel an Sonneneinstrahlung nicht wettmachen.
    »Hübsche Straße«, sagte Ambrose eifrig. Mistletoe erkannte eine Überkompensation, wenn sie eine vor sich hatte.
    Plötzlich lenkte sie Nelson ruckartig an den Wegrand und stellte den Motor ab. Dieses Mal war sie froh, dass Ambrose sich an sie klammerte wie eine Krabbe, ansonsten hätte es ihn vermutlich in hohem Bogen vom Scooter geworfen. Sie ließ die Auftriebe weiterlaufen, ging hinter einem Busch in Deckung und tastete sich langsam vorwärts, um den Pfad entlang zu Tante Ditas Hütte hinüberzuspähen.
    Ambrose lehnte sich nach vorn. »Was machst –«
    »Schhhhh!«, zischte sie. »Irgendwas stimmt nicht.«
    Auf der einzigen Stufe vor Tante Ditas leuchtend blauer Tür standen zwei Männer. Beide hochgewachsen und hager, ihre Kleidung sah nach Oberstadt aus: hellbraune Anzüge, keine Holofashion wie Ambroses, aber doch zu schick für das Viertel. Der eine Mann hatte rotes Stoppelhaar und hielt einen kleinen metallenen Schlagstock in der Hand. Der andere trug einen unförmigen braunen Hut und hatte eine silbrige Hand, wie der Cop, der Jiri getötet hatte.
    Drei weitere Gestalten huschten die schmale Gasse entlang und verschwanden zwischen Ditas Haus und dem ihrer Nachbarn.
    »Ma buh«
, wisperte Mistletoe. »Was jetzt?«
    »Keine Ahnung«, sagte Ambrose. Er klang ernsthaft geschockt, sich das sagen zu hören. Mistletoe erinnerte sich, dass sein Process Flow mit ungewohnten Situationen nicht eben gut klarkam. Wozu war das Teil dann eigentlich zu gebrauchen?
    »Mach irgendwas mit deinem hartkodierten Dingsda«, sagte sie. »Find raus, wer die sind.«
    »Und wie soll ich bitte schön online gehen? Ihr Typen hier unten seid doch praktisch völlig unplugged.«
    Mistletoe überhörte das
Ihr Typen
. »Jedenfalls können wir hier nicht einfach so rumsitzen.«
    »Ruf sie an. Schick ihr ’ne Warnung.«
    »Ja klar, und womit? Jiri hat die meisten Handys kaputt gemacht, und ich hab sowieso keins dabei. Ist ja nicht so, als würd mich ständig irgendwer anrufen.«
    »Das ist doch albern«, knurrte er. »Wieso hast du kein – was machst du da?«
    Sie brachte Nelson auf Touren, schoss mit einem Satz aus ihrem Versteck und jagte den Scooter mit Vollgas die Gasse entlang Richtung Ditas Türstufe. Ambrose erneuerte seinen Todesgriff um ihre Taille und kreischte. Das war okay. Denn genau darum ging es: um Lärm. Mit einem gellenden Schrei tat sie es ihm gleich und hielt auf die beiden Männer zu.
    Rothaar packte Schlapphut an der Schulter und zeigte auf den heranrauschenden Scooter. Schlapphut hob seinen schimmernden Silberarm, Mistletoe riss den Lenker herum. Der zuckende Blitz eines elektrostatischen Impulses verfehlte sie um Haaresbreite. Ambrose vergrub sein Gesicht in ihrem Zopf.
    Schlapphut feuerte noch einen zweiten Impuls ab – zu hoch –, dann war der Scooter auch schon so gut wie in Kinnhakenreichweite. Die beiden Männer gingen mit einem Hechtsprung in Deckung. Als Mistletoe abermals einen Schlenker machte, um nicht gegen die halb offene Tür zu donnern, glaubte sie, im Innern der Hütte hektische Bewegungen zu erkennen.
    »Festhalten!«, brüllte sie, als müsste man Ambrose dazu extra auffordern. Tante Ditas Straße war eine Sackgasse und endete an der Seitenwand einer Absinthkneipe, die nun beängstigend schnell auf sie zukam. Mit einem Ruck warf Mistletoe beide Fersen nach vorn und trat heftig auf Nelsons Notbremse. Als der Bremsmechanismus griff, riss sie den Lenker mit aller Kraft nach links und hielt ihn dort. Die Ionen-Auftriebe röhrten und schepperten, Ambrose und Mistletoe hingen jetzt waagerecht über der Straße. Die Wand kam immer näher. Für einen Augenblick schien die Zeit stillzustehen, und Mistletoe las auf einem verblassten Plakat:
Glaub es nicht
. Glaub was nicht? Plötzlich packte Ambrose den

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