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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smileys Leute oder Agent in eigener Sache (Smiley Bd 7)
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nachdem er nochmals einen Blick auf den Abzug unter der klinisch
modernen Lampe geworfen hatte. »Es liegt nicht in meiner Gewohnheit, Gäste zu
fotografieren. Manche Leute verkaufen Krawatten, ich verkaufe Sex. Ich lege
größten Wert auf korrektes Geschäftsgebaren. Aber hier handelte es sich nicht
um Geschäft. Hier handelte es sich um Freundschaft.«
    Smiley war klug genug, den Mund zu
halten.
    Herr Kretzschmar runzelte die
Stirn. Seine Stimme senkte sich zu einem vertraulichen Ton: »Kannten Sie ihn,
Herr Max? Den alten General? Waren Sie ihm persönlich verbunden?«
    »Ja.«
    »Er war wer. Stimmt's?«
    »Stimmt.«
    »Ein Löwe, was?«
     »Ein Löwe.«
    »Otto hat einen Narren an ihm
gefressen. Ich heiße Claus. >Claus<, sagte er immer zu mir. >Dieser
Wladimir. Ich liebe diesen Mann.< Können Sie mir folgen? Otto ist ein
äußerst loyaler Bursche. Der General auch?«
    »Genau so«, sagte Smiley.
»Gewesen.«
    »Eine Menge Leute glaubten nicht an
Otto. Auch ihr Stammhaus glaubte nicht immer an ihn. Das ist verständlich. Ich
mache niemandem einen Vorwurf. Aber der General, der glaubte an Otto. Nicht in
allen Kleinigkeiten. Aber in den großen Dingen.« Herr Kretzschmar winkelte den
Unterarm hoch und ballte die Hand zur Faust, zu einer überraschend stattlichen
Faust. »Wenn's mulmig wurde, glaubte der General hundertprozentig an Otto. Auch
ich glaube an Otto, Herr Max. In den großen Dingen. Aber ich bin Deutscher, ich
interessiere mich nicht für Politik, nur für Geschäfte. Diese
Flüchtlingsgeschichten sind für mich aus und vorbei. Können Sie mir folgen?«
    »Ich glaube schon.«
    »Aber nicht für Otto. Nie und
nimmer. Otto ist ein Fanatiker. Das darf ich wohl sagen. Ein Fanatiker. Das ist
einer der Gründe, warum sich unsere Wege getrennt haben. Aber er ist mein
Freund geblieben. Wer Otto etwas antut, der kriegt es mit Kretzschmar zu tun.«
Ein Schatten der Ratlosigkeit überflog sein Gesicht. »Sie haben wirklich nichts
für mich, Herr Max?«
    »Außer dem Foto habe ich nichts für
Sie.«
    Widerstrebend fand Herr Kretzschmar
sich mit dieser Tatsache ab, aber er brauchte einige Zeit dazu. Verlegene
Pause.
    »Der alte General wurde in England
erschossen?« fragte er schließlich.
    »Ja.«
    »Und Sie glauben trotzdem, daß auch
Otto in Gefahr ist?«
    »Ja. Aber ich glaube, er will es
nicht anders.«
    Herrn Kretzschmar gefiel diese
Antwort, und er nickte zweimal energisch mit dem Kopf.
    »Das glaube ich auch. Genau diesen
Eindruck habe ich auch von ihm. Wie oft hab' ich zu ihm gesagt: >Otto, du
hättest Hochseilkünstler werden sollen.< Für Otto ist ein Tag, der nicht
bei sechs verschiedenen Gelegenheiten sein letzter werden könnte, nicht
lebenswert. Gestatten Sie mir ein paar Bemerkungen über meine Beziehung zu
Otto?«
    »Bitte«, sagte Smiley höflich.
    Herr Kretzschmar legte die
Unterarme auf die Schreibtischplatte und setzte sich bequem zur Beichte
zurecht. »Es gab eine Zeit, da haben Otto und Claus Kretzschmar alles zusammen
getan, eine Menge Pferde gestohlen, wie man so sagt. Ich bin aus Sachsen
gekommen, Otto aus dem Osten. Ein Balte. Nicht aus Rußland, aus Estland, wie er
immer betonte. Er hatte viel durchgemacht, eine ganze Anzahl Gefängnisse von
innen kennengelernt, ein paar üble Burschen hatten ihn verraten, damals in
Estland. Ein Mädchen war gestorben, was ihm ziemlich zugesetzt hatte. Da gab's
einen Onkel in der Nähe von Kiel, aber das war ein Schwein. Das kann man wohl
sagen. Ein Schwein. Wir hatten kein Geld, wir waren Kameraden und
Diebsgenossen. Das war normal, Herr Max.«
    Smiley bestätigte nickend diese
Auslegung des Zeitgeists.
    »Einer unserer Geschäftszweige war
der Verkauf von Informationen. Wie Sie ganz richtig bemerkten, war Information
damals eine geschätzte Handelsware. Wir hörten zum Beispiel von einem
Flüchtling, der gerade von drüben gekommen war und den die Alliierten noch
nicht ausgequetscht hatten. Oder vielleicht von einem russischen Deserteur.
Oder dem Kapitän eines Frachters. Wir hören von ihm, wir fragen ihn aus. Wenn
wir es schlau anstellen, können wir den gleichen Bericht in verschiedenen Fassungen
an zwei oder drei Käufer absetzen. Die Amerikaner, die Franzosen, die Briten
und die Deutschen, die schon wieder fest mitmischten, jawohl. Manchmal- wenn er
nur vage genug war, sogar an fünf Käufer.« Er lachte herzlich. »Aber
nur, wenn er vage war, okay? Bei anderen Gelegenheiten haben wir, wenn uns die
Quellen ausgingen, einfach erfunden - ohne Frage.

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