Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smileys Leute oder Agent in eigener Sache (Smiley Bd 7)
Vom Netzwerk:
klarsichtig, um nicht
auch Smileys andere Seiten zu bemerken: die Ratlosigkeit, oft als
gesellschaftliche Verpflichtung getarnt; seine Gewohnheit, sich unter einem
fadenscheinigen Vorwand davonzumachen, als halte er das Stillsitzen nicht mehr
länger aus, als brauche er Bewegung, um sich selbst zu entrinnen.
    Für seine Zimmerwirtin, Mrs. Gray,
war Smiley ganz einfach ein Hinterbliebener. Sie wußte nichts von ihm, außer
daß er Lorimer hieß und pensionierter Buchhändler war. Doch sie sagte zu den
anderen Herren, sie könne spüren, daß er einen Verlust erlitten habe,
denn warum sollte er sonst seinen Frühstücksspeck stehen lassen; sehr oft, aber
immer allein, ausgehen und bei angemachtem Licht schlafen? Er erinnere sie an
ihren Vater, nach >Mutters Heimgang<. Und damit traf sie ins Schwarze,
denn die beiden Morde setzten Smiley während dieser Kampfpause immer noch zu,
wenn sie auch in keiner Weise die Schnelligkeit seiner Hände minderten, im
Gegenteil. Sie hatte auch recht, wenn sie ihn geteilt nannte, denn in
kleinen Dingen wechselte er dauernd seine Meinung: Wie der Ostrakowa fielen
ihm die nebensächlichen Entscheidungen des Lebens zunehmend schwerer. Toby
Esterhase, der viel mit ihm zu tun hatte, kam zu einer sachkundigeren
Beurteilung, in die sich natürlich seine eigene freudige Genugtuung darüber
mischte, wieder am Ball zu sein. Die Aussicht, Karla >am großen Tisch<
auszuspielen, wie er es nannte, hatte einen neuen Menschen aus Toby gemacht.
Mister Benati war jetzt wirklich international geworden. Zwei Wochen lang
kämmte er die Niederungen von Europas mieseren Städten durch und musterte seine
bizzare Armee von abgehalfterten Spezialisten: die Pflastertreter, die
Tondiebe, die Fahrer, die Fotografen. Er rief, wo immer er auch war, täglich
Smiley an, wählte jeweils einen anderen Teilnehmer, der von der Pension aus bequem
zu Fuß zu erreichen war, und berichtete in einem verabredeten Wortcode über
den Fortgang seiner Arbeit. Wenn Toby durch London kam, fuhr Smiley zu einem
Flugplatzhotel und ließ sich in einem der ihm nun wohlvertrauten Zimmer
informieren. George machte, wie Toby erklärte, eine Flucht nach vorn, aus
Verzweiflung, wegen der Schwäche seiner Rückendeckung
    oder ganz einfach, weil er seine
Schiffe hinter sich verbrannt hatte. Was der eigentliche Grund war, konnte er
nicht genau beschreiben. >Hören Sie<, pflegte er zu sagen, >George
hat es immer auf die Sachte gemacht, wenn Sie verstehen, was ich meine. Man
sieht eine Menge - die Augen gehen einem über. Möglich, daß George einfach
zuviel gesehen hat.< Und in einem Satz, der seinen bescheidenen Platz in
der Circus-Folklore gefunden hat, fügte er hinzu - >George hat zuviele Köpfe
unter seinem Hut<. An Smileys Führungsqualitäten dagegen hegte Toby nicht
den mindesten Zweifel. >Gründlich bis zum Exzeß<, erklärte er respektvoll,
selbst wenn dieser Exzeß bedeutete, daß man seine Reiseabrechnung bis auf den
letzten Rappen überprüfte, eine Prozedur, die er mit resigniertem Wohlwollen
über sich ergehen ließ. George war nervös, sagte er, wie sie alle, und seine
Nervosität erreichte ihren Höhepunkt, als Toby begann, seine Teams in Zweier-
oder Dreiereinheiten auf die Zielstadt Bern zu konzentrieren und sehr, sehr
vorsichtig die ersten Schritte in Richtung auf das Wild zu tun. >George
stieg zu sehr in die Einzelheiten ein<, beklagte sich Toby. >Als wollte
er mit uns auf dem Pflaster sein. Als altem Fall-Berater fiel es ihm schwer zu
delegieren.< Selbst als die Teams alle zusammengestellt, abgesegnet und instruiert
waren, bestand Smiley von seiner Londoner Basis aus auf drei Tagen praktischer
Untätigkeit, während derer alle sich in die Stadt einleben, sich ortsübliche
Kleidung und Transportmittel zulegen und das Kommunikationssystem nochmals
durchproben sollten: >Nur keine Überstürzung, Toby<, wiederholte er besorgt.
>Je länger nichts passiert, desto sicherer wird Karla sich fühlen. Ein
einziger vorschneller Zug, und Karla gerät in Panik, und wir haben das
Nachsehen.< Nach dem ersten operativen Anlauf wurde Toby von Smiley wieder
zur Berichterstattung befohlen: >Sind Sie sicher, daß kein Augenkontakt
stattgefunden hat?  Haben Sie wirklich alle Eventualitäten  berücksichtigt?
Brauchen Sie mehr Wagen, mehr Leute?< Dann, sagte Toby» mußte er nochmals
mit ihm das ganze Manöver anhand von Straßenkarten und Aufnahmen des
Zielhauses durchgehen, genau erklären, wo die statischen Posten standen, wo ein
Team vom

Weitere Kostenlose Bücher