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Carre, John le

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Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smileys Leute oder Agent in eigener Sache (Smiley Bd 7)
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hat mit Leuten zu tun, die Bill
Haydon auf dem Gewissen haben«, sagte er zu ihr, entweder als Trost oder als
Entschuldigung für seinen Rückzug. Aber er dachte: >Die dich auf dem
Gewissen haben.<
     
    Er verpaßte den Zug und mußte zwei
Stunden totschlagen. Es war Ebbe, und so ging er den Strand entlang bei
Marazion, erschrocken über seine Gleichgültigkeit. Der Tag war grau, die
Seevögel hoben sich blendendweiß gegen das Schiefermeer ab. Ein paar wackere
Kinder planschten in der Brandung. Ich bin ein Geistdieb,  dachte er
niedergeschlagen.  Ich habe keinen Glauben und verfolge einen Anderen wegen
seiner Überzeugung. Ich versuche, mich am Feuer anderer Leute zu wärmen. Er sah
den Kindern zu und erinnerte sich an einen Gedichtfetzen aus lang vergangener
Zeit:
    Wie Schwimmer, die in reine
Fluten springen.
    Wend ich mich froh von einer
Welt, die alt und kalt und müd geworden.
    Ja, dachte er düster, das tu ich.
     
    »Nun, George«, fragte Lacon.
»Glauben Sie, daß wir unsere Frauen einfach zu hoch einschätzen, daß wir
Burschen aus der englischen Mittelschicht hier auf dem Holzweg sind?
Glauben Sie - ich will's mal anders ausdrücken -, daß wir Engländer mit unseren
Traditionen und Schulen von unserem Weibervolk erwarten, daß sie für eine Menge stehen, und sie dann dafür tadeln, daß sie für nichts einstehen? Wir
sehen sie als Konzepte und nicht als Wesen aus Fleisch und Blut. Hakt's da bei
uns?«
    Smiley sagte, das könne wohl sein.
    »Wenn's das nicht ist, warum
verknallt sich dann Val dauernd in solche Scheißkerle?« schnappte Lacon
aggressiv, zur Überraschung des Paares, das am Nachbartisch saß.
    Sie hatten miserabel in dem
Steakhaus gegessen, das Lacon vorgeschlagen hatte, hatten offenen, spanischen
Burgunder getrunken, und Lacon hatte sich weidlich über das politische Dilemma
in Großbritannien ereifert. Sie tranken nun Kaffee und einen verdächtigen
Brandy. Die Kommunistenfresserei sei überholt. Lacon war sich da ganz sicher. Die
Kommunisten seien ja schließlich auch nur Menschen. Sie seien keine
Ungeheuer mit Messern zwischen den Zähnen, nicht mehr. Die Kommunisten
wünschten, was jeder wünschte: Wohlstand und ein bißchen Ruhe und Frieden. Die Chance, mit dieser verdammten Feindseligkeit Schluß zu machen. Und wenn
sie das nicht wollten - nun, was könnten wir dagegen tun? hatte er gefragt.
Manche Probleme - man denke nur an das Irische - seien unlösbar, aber man
würde die Amerikaner nie dazu bringen zuzugeben, daß irgendetwas unlösbar
sei. Großbritannien sei unregierbar, und in ein paar Jahren würden das auch
alle anderen Länder sein. Unser Zukunft liege im Kollektiv, doch unser
Überleben hänge am Individuum, und an diesem Paradox litten wir jeden Tag.
    »Nun, George, wie sehen Sie die
Sache? Sie sind ja schließlich aus dem Geschirr. Sie haben den objektiven
Blick, die umfassende Übersicht.«
    Smiley hörte sich irgendetwas
Blödsinniges über ein Spektrum murmeln.
    Und nun war das Hauptthema, vor dem
Smiley sich den ganzen Abend gefürchtet hatte, auf dem Tisch: Ihr Seminar über
die Ehe hatte begonnen.
    »Man hat uns immer beigebracht, Frauen müßten liebevoll
behandelt werden«, erklärte Lacon voller Ressentiment. »Wenn man sie nicht
jede Minute des Tages fühlen läßt, daß sie geliebt werden, drehen sie durch.
Aber dieser Bursche, mit dem Val sich rumtreibt - nun, wenn sie ihm auf die
Nerven geht oder ungefragt redet, dann gibt er ihr eins auf die Schnauze. Wir
beide tun das nie, oder?«
    »Ganz gewiß nicht«, sagte Smiley.
    »Schauen Sie. Angenommen, ich geh
zu ihr- stelle sie in seinem Haus - zieh andere Seiten auf - drohe mit Gericht
und so -könnte das die Wende bringen? Schließlich bin ich größer als er, weiß
Gott. Mir fehlt's nicht an schlagenden Argumenten, in keinem Sinne!«
    Sie standen auf dem Gehsteig unter
den Sternen und warteten auf Smileys Taxi.
    »Na, auf alle Fälle, guten Urlaub,
Sie haben ihn verdient«, sagte Lacon. »Irgendwohin, wo's warm ist?«
    »Nun, ich dachte, einfach weg und
wandern.«
    »Sie Glücklicher! Mein Gott, wie
ich Sie um Ihre Freiheit beneide! Nun, wie dem auch sei, Sie waren eine große
Hilfe. Ich werde Ihren Rat wortwörtlich befolgen.«
    »Aber Oliver, ich habe Ihnen doch
gar keinen Rat gegeben«, protestierte Smiley leicht beunruhigt.
    Lacon achtete nicht darauf. »Und
die andere Sache ist ausgebügelt, wie ich gehört habe«, sagte er fröhlich.
»Keine Folgen, kein Kuddelmuddel. Gut gemacht, George. Loyal. Ich

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