Carre, John le
gibt's ein Mädchen,
das in der Visa-Abteilung arbeitet. Brünett und sexy für eine Russin. Die
Jungens nennen sie Klein-Natascha. Sie heißt anders, aber für die Jungens ist
sie Natascha. Samstags kommt sie in die Botschaft. Zum Arbeiten. Ein paarmal
hat Grigoriew sie nach Muri heimgefahren. Wir habe Aufnahmen gemacht, nicht
schlecht. Sie ist kurz vor ihrer Wohnung ausgestiegen und die letzten
fünfhundert Meter zu Fuß gegangen. Warum? Ein anderes Mal hat er sie nirgendwohin
gefahren-nur rund um den Gurten, aber in innigem Gespräch. Vielleicht ist das
nur ein Wunschdenken der Jungens, wegen der Grigoriewa. Sie mögen den Burschen.
George, Sie wissen ja, wie Observanten sind. Ganz Liebe oder ganz Haß. Sie
mögen ihn.« Er bremste. Die Lichter eines kleinen Cafes blinzelten sie durch
den Nebel an. Im Vorgarten stand ein grüner Citroen 2 CV mit Genfer Nummer. Auf
dem Hintersitz lag ein Haufen Pappschachteln, wie Handelsmuster, und ein
Fuchsschwanz baumelte an der Antenne. Toby sprang aus dem Wagen, riß die
spindige Türe des 2 CV auf und drängte Smiley auf den Mitfahrersitz. Dann
reichte er ihm einen weichen Filzhut, den Smiley aufsetzte. Für sich selbst
hatte Toby eine russische Pelzmütze. Sie fuhren wieder an, und Smiley sah die
Berner Matrone vorne in den Volvo klettern, den Toby und er gerade verlassen
hatten. Ihr Kind winkte ihnen verzagt durch das Rückfenster zu, als sie
wegfuhren.
»Wie geht's denn allen so?« sagte
Smiley.
»Großartig. Scharren ungeduldig mit
den Hufen, George, alle wie sie da sind. Einem der Brüder Sartor ist ein Kind
krank geworden, und er mußte heim nach Wien. Hat ihm fast das Herz gebrochen.
Aber sonst, großartig. George, Sie sind die Nummer Eins für alle. Da vorne
rechts kommt Slingo. Erinnern Sie sich an Harry? War meine Schützenhilfe in
Acton.«
»Wie ich höre, hat sein Sohn ein
Stipendium für Oxford bekommen«, sagte Smiley.
»Physik. Wadham, Oxford. Der Junge
ist ein Genie. Schauen Sie immer nur die Straße hinunter, nicht den Kopf
bewegen, George.«
Sie fuhren an einem Kastenwagen
vorbei, an dessen Seitenwand in schwungvoller Schrift Auto-Schnelldienst stand
und dessen Fahrer am Steuer vor sich hindöste.
»Wer ist hinten drin?« fragte
Smiley, als sie genügend weit entfernt waren.
»Pete Lusty, ehemaliger Skalpjäger.
Diese Burschen haben eine schwere Zeit hinter sich, George. Keine Arbeit, kein
Rummel Pete ist in die Rhodesische Armee eingetreten. Hat ein paar Kerle
umgelegt, war ihm zu langweilig, ist zurückgekommen. Kein Wunder, daß die
Jungens Sie lieben.«
Sie fuhren wieder an Grigoriews
Haus vorbei. Ein Licht brannte hinter dem anderen Fenster.
»Die Grigoriews gehen früh
schlafen«, sagte Toby mit einer Art Schaudern.
Vor ihnen stand eine geparkte
Limousine mit einem Zürcher Konsulatsschild. Auf dem Fahrersitz las ein
Chauffeur ein Taschenbuch.
»Das ist Canada Bill«, erklärte
Toby. »Wenn Grigoriew das Haus verläßt und nach rechts fährt, kommt er an Pete
Lusty vorbei. Nach links, an Canada Bill. Tüchtige Burschen. Sehr wachsam.«
»Wer ist hinter uns?«
»Die Meinertzhagen-Mädchen. Die
Große hat geheiratet.«
Der Nebel dämpfte das Motorgeräusch
und hüllte sie schützend ein. Sie fuhren einen sanften Hügel hinunter, am
Wohnsitz des britischen Botschafters vorbei. Die Straße bog nach links ab, und
Toby folgte ihr. Der Wagen, der bis jetzt hinter ihnen gefahren war, überholte
sie und schaltete dabei ordnungsgemäß seine Fernlichter ein. Ihr Strahl, der
parallel zu Smileys auf die Straße gerichtetem Blick verlief, fiel in eine
baumbestandene Sackgasse mit zwei großen, verschlossenen Toren am Ende, hinter
denen eine kleine Wachmannschaft stand. Der Rest war völlig von den Bäumen
verdeckt.
»Die Sowjetbotschaft heißt Sie
willkommen, George. Vierundzwanzig Diplomaten, fünfzig andere Ränge -
Chiffrierer, Stenotypistinnen und ein paar ganz miese Fahrer, alle aus Rußland
importiert. Die Handelsdelegation ist in einem anderen Gebäud untergebracht,
in der Schanzeneckstraße 17. Grigoriew geht dort häufig ein und aus. In Bern
gibt es auch die Tass und n ovosti,
meist Wald- und Wiesen-Spione. Die Stammresidentur ist in Genf, unter
UN-Tarnung, ungefähr zweihundert Mann stark. Das hier ist ein Nebenzweig,
zwölf, fünfzehn im ganzen, wächst, aber nur langsam. Das Konsulat ist hinten an
die Botschaft angebaut. Man kommt durch ein Tor in der Umzäunung hinein, als
sei es eine Opiumhöhle oder ein Puff. Der Zugang wird durch
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