Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smileys Leute oder Agent in eigener Sache (Smiley Bd 7)
Vom Netzwerk:
ihr sagen sollen.
    »Weg irgendwohin Bestimmtes, oder
nur weg von mir?«
    »Ich muß etwas im Ausland
erledigen«, sagte er und versuchte vergeblich von seiner Rolle als Kriegsheld
wegzukommen. »Ich glaube nicht, daß du während meiner Abwesenheit in die Bywater
Street kommen solltest.«
    Sie hatte ihre Finger in die seinen
verschränkt, aber das gehörte eben so zu den Dingen, die sie tat: Sie verhielt
sich natürlich den Leuten gegenüber, allen Leuten. Unter ihnen, in der
Felsenkluft, brach sich die See und bildete wütend Muster aus Gischtschlangen.
    »Und du bist den ganzen Weg hierher
gekommen, nur um mir zu sagen, daß das Haus unzugänglich ist?« fragte sie. Er
gab keine Antwort.
    »Ich werde es anders versuchen«,
schlug sie vor, nachdem sie eine Weile gewandert waren. »Wenn die Bywater
Street noch zugänglich wäre, hättest du dann vorgeschlagen, ich solle kommen?
Oder willst du mir sagen, daß sie endgültig unzugänglich ist?«
    Sie blieb stehen und schaute
ihn an, hielt ihn von sich und versuchte seine Antwort zu lesen. Sie flüsterte
>Um Himmels willen<, und er konnte zugleich den Zweifel, den Stolz und
die Hoffnung auf ihrem Gesicht sehen und fragte sich, was sie in seinem sah,
denn er selbst wußte nicht, was er fühlte, außer, daß er nirgendwo in ihre Nähe
gehörte, nirgendwo in die Nähe dieses Ortes, sie war wie eine Frau auf einer
schwimmenden Insel, die sich schnell von ihm wegbewegte, inmitten der Schatten
all ihrer Liebhaber.
    Er empfand Liebe für sie,
Gleichgültigkeit, er beobachtete mit dem Fluch der Leidenschaftslosigkeit, wie
sie ihn verließ. Wenn ich mich selbst nicht kenne, wie kann ich dann sagen, wer
du bist? Er sah die Linien des Alters und des Leidens und des Kampfes, die ihr
gemeinsames Leben gezogen hatte. Sie war alles, was er wollte, sie war nichts,
sie erinnerte ihn an jemanden, den er einst vor langer Zeit gekannt hatte; sie
war ihm ein Rätsel, er kannte sie genau. Er sah den Ernst auf ihrem Gesicht und
fragte sich eine Minute lang, wie er dies je hatte für Tiefe halten können; in
der nächsten Minute verachtete er sich wegen seiner Abhängigkeit von ihr und
wollte nur noch frei sein. Er wollte rufen >Komm zurück< tat es aber
nicht: Er streckte nicht einmal eine Hand aus, um zu verhindern, daß sie von ihm
wegglitt.
    »Du hast doch gesagt, daß ich immer
wieder nach dir schauen soll«, sagte er. Diese Feststellung klang wie der
Vorspann zu einer Frage, doch die Frage kam nicht.
    Sie wartete, dann bot sie
ihrerseits eine Feststellung an.
    »Ich bin eine Komödiantin, George«,
sagte sie. »Ich brauche einen vernünftigen Mann. Ich brauche dich.«
    Doch er sah sie wie aus weiter
Ferne.
    »Es ist wegen der Sache, die ich
erledigen muß«, sagte er.
    »Ich kann nicht leben mit ihnen.
Ich kann nicht leben ohne sie.« Er vermutete, daß sie wieder von ihren
Liebhabern sprach »Nur eins ist schlimmer als der Wechsel, und das ist der
Status Quo. Ich wähle nicht gern. Ich liebe dich. Verstehst du?« Es
folgte eine Pause, während der er irgendetwas gesagt haben mußte. Sie stützte
sich nicht auf ihn, aber sie lehnte an ihm, während sie weinte, denn das Weinen
hatte ihre ganze Kraft aufgezehrt. »Du hast nie gewußt, wie frei du bist,
George«, hörte er sie sagen. »Ich mußte für uns beide frei sein.«
    Dann schien sie sich ihrer eigenen
Absurdität bewußt zu werden, und sie lachte.
    Ann ließ seinen Arm los, und sie
gingen eine Weile dahin, während sie versuchte, klar zu kommen, indem sie
einfache Fragen stellte. Er sagte: »Wochen, vielleicht länger.« Er sagte: »In
einem Hotel«, sagte aber nicht in welcher Stadt oder in welchem Land. Sie
schaute ihn wieder an, und die Tränen liefen plötzlich von neuem, schlimmer als
zuvor, doch sie rührten ihn noch immer nicht so, wie er es gewünscht hätte.
    »George, das ist alles, was noch
bleibt, glaube mir«, sagte sie und blieb stehen, um sich Gehör zu verschaffen.
»Der Zug ist abgefahren, in deiner Welt und in meiner. Wir sind beieinander gelandet.
Damit hat's sich. Am Durchschnitt gemessen, gehören wir zu den glücklichsten
Menschen der Welt.«
    Er nickte, schien es als gegeben
hinzunehmen, daß sie irgendwo gewesen war, wo er nicht gewesen war, ohne es
jedoch als endgültig zu betrachten. Sie gingen wieder eine Weile dahin, und er
bemerkte, daß er mit ihr verbunden war, solange sie nicht redete, doch nur in dem
Sinn, daß sie ein anderer lebender Mensch war, der denselben Pfad entlangging,
wie er selbst.
    »Es

Weitere Kostenlose Bücher