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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smileys Leute oder Agent in eigener Sache (Smiley Bd 7)
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auch. George, wirklich, sie sind phantastisch. Das
Beste vom Besten. Ich hatte noch nie so gute. Was halten Sie von ihm?«
    Eine scharfe männliche Stimme
unterbrach ihn. »Herr Jakobi!« Aber es war nur der Küchenchef, der Toby mit
einem Schnapsglas zuprostete.
    In seiner Überraschung über die
Frage lachte Smiley doch tatsächlich auf.
    »Er steht sicher unter dem
Pantoffel«, meinte er.
    »Und ein netter Bursche, wissen
Sie? Vernünftig. Er wird sicher auch vernünftig reagieren. Das ist meine
Ansicht, George. Und auch die der Jungens.«
    »Wohin fahren die Grigoriews von
hier aus?«
    »Zum Mittagessen am Bahnhofsbuffet,
erster Klasse. Die Grigoriewa nimmt Schweinekotelett mit Chips, Grigoriew ein
Steak und ein Glas Bier. Vielleicht genehmigen sie sich auch ein paar Wodkas.«
    »Und was tun sie nach dem
Mittagessen?«
    Toby nickte heftig, als bedürfe die
Frage keiner Klärung.
    »Natürlich«, sagte er. »Genau das.
George, nur Mut. Der Bursche wird gefügig sein, glauben Sie mir. Sie haben nie
eine derartige Frau gehabt. Und Natascha ist ein süßes Kind.« Er senkte die
Stimme. »Karla ist sein Nährvater. So einfach ist das. Aber die einfachen Dinge
verstehen Sie nicht immer, George. Glauben Sie, die Grigoriewa wird zulassen,
daß er die neue Wohnung aufgibt? Den Mercedes?«
     
    Alexandras allwöchentlicher Besuch
kam, wie immer, pünktlich, wie immer um dieselbe Zeit, am Freitag nach der
Mittagsruhe. Gegessen wurde um ein Uhr, und freitags gab es kalten Braten,
Rösti und Apfelkompott oder vielleicht Pflaumen, je nach der Jahreszeit, aber
sie konnte nichts essen, und manchmal würgte sie so lange, bis sie sich
übergab, oder sie rannte auf die Toilette oder rief Felicitas-Felicitas und
beklagte sich in den gemeinsten Ausdrücken über die Qualität der Mahlzeiten. Die
Oberin zeigte sich immer sehr betroffen darüber. Das Heim war stolz darauf, das
Obst aus eigenem Anbau zu beziehen, und die Werbebroschüren in
Felicitas-Felicitas' Büro enthielten viele Fotos von Früchten und blühenden
Bäumen und Alpenbächen und Bergen, alles bunt durcheinandergewürfelt, als ob
der Liebe Gott oder die Schwestern oder Dr. Rüedi diese ganze Pracht eigens
für die Heiminsassinnen geschaffen hätten. Nach dem Mittagessen kam eine
Ruhestunde, und freitags empfand Alexandra diese Stunde als ganz besonders
schlimm, die schlimmste der ganzen Woche, wenn sie sich auf die weiße Bettstatt
legen mußte, angeblich, um sich zu entspannen, während sie den nächstbesten
Gott anrief und ihn bat, er möge Onkel Anton überfahren oder einen Herzanfall
erleiden oder am allerbesten ganz und gar verschwinden lassen - wegsperren mit
ihrer eigenen Vergangenheit, ihren Geheimnissen und ihrem Namen Tatjana. Sie
dachte an seine randlose Brille, und in ihrer Phantasie trieb sie ihm diese
Brille in den Schädel, so daß sie auf der anderen Seite wieder herauskam
zusammen mit seinen Augen, und Alexandra, statt seinem wäßrigen Blick zu
begegnen, direkt durch ihn hindurch auf die Welt draußen schauen konnte.
    Und jetzt war die Ruhezeit
wenigstens vorbei, und Alexandra stand, sonntäglich angezogen, in dem leeren
Speiseraum und blickte durch das Fenster auf das Pförtnerhaus, während zwei
dienende Nonnen den gefliesten Boden schrubbten. Ihr war Übel. Klump, dachte
sie. Fahr dein blödes Rad zu Klump und dich dazu. Andere Mädchen bekamen auch
Besuch, aber nur samstags, und keine hatte einen Onkel Anton, nur wenige bekamen
männlichen Besuch irgendwelcher Art, meist kamen bläßliche Tanten und
gelangweilte Schwestern. Und keiner wurde Felicitas-Felicitas' Arbeitszimmer
zur Verfügung gestellt, damit sie den Besucher hinter verschlossener Tür allein
empfangen könne. Das war ein Privileg, das allein Alexandra und Onkel Anton
genossen, wie Schwester Béatitude nicht müde wurde zu betonen. Doch Alexandra
hätte diese Vergünstigung und noch etliche dazu liebend gern für das Privileg
eingetauscht, keinerlei Besuch von Onkel Anton zu erhalten.
    Das Tor am Pförtnerhaus ging auf,
und sie fing absichtlich an zu zittern, schüttelte ihre Hände in den Gelenken,
als habe sie eine Maus, eine Spinne oder einen nackten Mann vor sich gesehen.
Eine rundliche Gestalt in einem braunen Anzug radelte die Anfahrt herauf. Aus
seiner Bemühtheit konnte sie schließen, daß er kein geübter Radfahrer war. Er kam
nicht von weit und brachte auch keine Frische von draußen mit. Es mochte brütend
heiß sein, Onkel Anton schwitzte nicht und kochte nicht. Es mochte

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