Carre, John le
Priester
Grigoriew ein ärztliches Zeugnis aus, das von einer Moskauer Kapazität stammte.
»Während Ihres Aufenthalts hier in
Moskau erlitten Sie eine kleine Herzattacke als Folge von Streß und
Überarbeitung«, sagte der Priester. »Der Arzt rät zu regelmäßigem Radfahren
zwecks Besserung Ihrer physischen Kondition. Ihre Frau wird Sie dabei
begleiten.«
Indem Grigoriew sich per Fahrrad
oder zu Fuß zur Klinik begebe, erklärte der Priester, werde niemand das
Nummernschild des Diplomatischen Corps an seinem Wagen sehen.
Dann erlaubte ihm der Priester den
Kauf zweier gebrauchter Fahrräder. Nun blieb noch die Frage, welcher Wochentag
sich am besten für Grigoriews Besuche in der Klinik eigne. Samstag war der
normale Besuchstag, aber das war zu gefährlich; mehrere Insassinnen waren aus
Bern, und so bestand immer das Risiko, daß »Glaser« erkannt würde. Die Leiterin
habe daher Mitteilung erhalten, daß die Samstage nicht in Frage kämen, und sei,
ausnahmsweise, mit regelmäßigen Besuchen am Freitag einverstanden. Der
Botschafter werde keine Einwände erheben, aber wie wolle Grigoriew seine
Abwesenheit an den Freitagen mit seinen routinemäßigen Obliegenheiten
vereinbaren ?
Das sei kein Problem, antwortete
Grigoriew. Es sei durchaus zulässig, Freitag und Samstag zu vertauschen, er
werde also einfach darum nachsuchen, am Samstag arbeiten zu dürfen; dann hätte
er den Freitag frei.
Nach beendigter Beichte ließ
Grigoriew seinem Publikum ein rasches, überbelichtetes Lächeln zukommen.
»Zufällig arbeitete auch eine
gewisse junge Dame in der Visa-Abteilung immer samstags«, sagte er und
zwinkerte zu Toby hinüber. »Dadurch hatten wir Gelegenheit, miteinander ein
bißchen allein zu sein.«
Diesmal war das allgemeine
Gelächter nicht ganz so herzhaft, wie es hätte sein können. Die Zeit näherte
sich, genau wie Grigoriews Erzählung, ihrem Ende.
Sie waren wieder dort angelangt, wo
sie begonnen hatten, und plötzlich hatten sie nur noch Grigoriew als Gegenüber,
Grigoriew, um den allein sie sich sorgen, den allein sie festhalten mußten.
Er saß feixend auf dem Sofa, aber sein Übermut verflüchtigte sich zusehends.
Er hatte die Hände ergeben gefaltet und blickte von einem zum ändern, als warte
er auf Befehle.
»Meine Frau kann nicht radfahren«,
bemerkte er mit einem leisen traurigen Lächeln. »Sie hat es immer wieder
versucht.«
Ihr Versagen schien ihm eine ganze
Menge zu bedeuten. »Der Priester schrieb mir aus Moskau: >Nehmen Sie Ihre
Frau mit zu Alexandra. Vielleicht braucht das Mädchen auch eine Mutter.<«
Ratlos schüttelte er den Kopf. »Sie kann es einfach nicht«, sagte er zu Smiley.
»Wie kann ich Moskau in einer so wichtigen Geheimsache sagen, Grigoriewa kann
nicht radfahren?« Vielleicht bewährte Smiley sich in seiner Rolle als
federführendes Organ niemals trefflicher als durch die Art und Weise, wie er
nun, fast en passant, die bisherige Quelle Grigoriew in den idealen Überläufer
Grigoriew verwandelte.
»Herr Botschaftsrat, wie immer auf
längere Sicht Ihre Pläne sein mögen, bleiben Sie bitte noch mindestens zwei
Wochen an der Botschaft«, verfügte er und schloß umständlich sein Notizbuch.
»Danach wird Ihnen, falls Sie sich entschließen sollten, irgendwo im Westen
ein neues Leben zu beginnen, ein freundlicher Empfang sicher sein.« Er ließ
das Notizbuch in seine Tasche gleiten. »Aber am nächsten Freitag werden Sie
unter gar keinen Umständen das Mädchen Alexandra besuchen. Sagen Sie Ihrer
Gattin, dies sei der Inhalt Ihres heutigen Treffens mit Krassky gewesen. Wenn
der Kurier Krassky Ihnen den fälligen Donnerstagsbrief bringt, nehmen sie ihn
wie immer entgegen, aber Sie werden auch danach Ihrer Gattin gegenüber dabei
bleiben, daß kein Besuch bei Alexandra stattfinden dürfe. Keine weiteren Erklärungen.
Lassen Sie Madame Grigoriewa getrost im dunkeln tappen.«
Grigoriew quittierte diese
Instruktionen durch ein unbehagliches Nicken.
»Ich muß Sie indes warnen: Sollten
Sie auch nur den kleinsten Fehler machen oder, in der anderen Richtung,
irgendeinen Trick versuchen, so wird der Priester es erfahren und Sie
vernichten. Außerdem würden Sie Ihre Chancen für eine wohlwollende Aufnahme im
Westen verwirken. Ist Ihnen das klar?«
Nun mußte man Grigoriew nur noch
die Telefonnummern geben, bei denen er sich gegebenenfalls melden sollte, und
ihm erklären, wie Anrufe zwischen öffentlichen Fernsprechzellen zu tätigen
sind; und wider alle Gesetze des Metiers
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