Carre, John le
notwendigen Papiere erlangen können. Eine passende Klinik war gefunden
worden, nur eine kurze Autofahrt von Bern entfernt. Grigoriews Aufgabe bestehe
nun darin, daß er sich um dieses Kind während des Aufenthaltes in der Klinik
kümmere. Er müsse das Mädchen besuchen, die Kosten begleichen und wöchentlich
über ihre Fortschritte nach Moskau berichten, so daß die Meldung unverzüglich
an den Vater weitergeleitet werden könne. Dies sei der Zweck, sowohl des Bankkontos
wie dessen, was der Priester als Grigoriews Schweizer Identität bezeichnete.
»Und Sie willigten ein«, sagte
Smiley, als Grigoriew eine Pause machte, und man hörte seinen Stift emsig über
das Papier kritzeln.
»Nicht sofort. Ich stellte ihm
zuvor noch zwei Fragen«, sagte Grigoriew mit einer kuriosen Aufwallung von
Eitelkeit. »Wir Akademiker lassen uns nicht so leicht hinters Licht führen, wissen
Sie. Zuerst fragte ich ihn natürlich, warum diese Aufgabe nicht von einem der
zahlreichen in der Schweiz postierten Vertreter unseres
Staatssicherheitsdienstes wahrgenommen werden könne.«
»Eine ausgezeichnete Frage«, sagte
Smiley - ein überraschendes Lob aus seinem Munde. »Was hat er darauf
geantwortet?«
»Es sei zu geheim. Geheimhaltung,
sagte er, sei eine Frage der Abschottung. Er wünsche nicht, daß der Name
Ostrakow mit dem Kernpersonal der Moskauer Zentrale in Verbindung gebracht
werde. Bei der jetzigen Regelung, sagte er, würde er im Fall einer Panne
wissen, daß nur Grigoriew der Schuldige sein könne. Ich war für diese
Auszeichnung nicht dankbar«, sagte Grigoriew und feixte Nick de Silsky ein
bißchen gezwungen an.
»Und wie lautete Ihre zweite Frage,
Herr Botschaftsrat?«
»Sie betraf den Vater in Paris: Wie
oft würde er das Mädchen besuchen? Wenn der Vater häufig käme, so wäre mein
Auftreten als Ersatzvater völlig überflüssig. Direkte Zahlungen an die Klinik
ließen sich arrangieren, der Vater könne jeden Monat aus Paris zu Besuch kommen
und sich selber um das Wohlergehen seiner Tochter kümmern. Darauf erwiderte der
Priester, der Vater könne nur sehr selten kommen und dürfe in Gesprächen mit
dem Mädchen Alexandra auf keinen Fall erwähnt werden. Er fügte, wenig
folgerichtig, hinzu, das Thema >Tochter< sei für den Vater höchst
schmerzlich, und es sei daher denkbar, daß er sie überhaupt nie besuchen werde.
Ich solle mich geehrt fühlen, einem geheimen Helden der Sowjetunion einen so
wichtigen Dienst erweisen zu dürfen. Er wurde scharf. Er sagte, es stehe mir
nicht zu, das Verfahren von Fachleuten mit der Logik eines Amateurs zu messen.
Ich entschuldigte mich. Ich sagte, daß ich mich in der Tat geehrt fühle. Daß
ich stolz darauf sei, meinen Beitrag im Kampf gegen den Imperialismus zu
leisten.«
»Aber sie sagten es ohne innere
Überzeugung?« mutmaßte Smiley, blickte abermals auf und hielt mit Schreiben
inne.
»Ja, das stimmt.«
»Warum?«
Zunächst schien Grigoriew nicht
recht zu wissen, warum. Vielleicht hatte ihn noch nie jemand aufgefordert, die
Wahrheit über seine Gefühle zu äußern.
»Vielleicht, weil Sie dem Priester
nicht glaubten ?« half Smiley aus.
»Die Geschichte enthielt viele
Widersprüchlichkeiten«, antwortete Grigoriew stirnrunzelnd. »Zweifellos ist
das in der Geheimarbeit unvermeidlich. Dennoch empfand ich vieles als unwahrscheinlich
oder unwahr.«
»Können Sie erklären, warum?«
In der Katharsis des Bekennens
vergaß Grigoriew erneut, in welcher Gefahr er schwebte, und lächelte
überlegen.
»Er hat Gefühle gezeigt«, sagte er.
»Ich fragte mich. Danach, als ich anderntags bei Eudokia war, an ihrer Seite
lag, die Sache mit ihr durchsprach, fragte ich mich: Was ist zwischen dem
Priester und diesem Ostrakow? Sind sie Brüder? Alte Kameraden? Dieser große
Mann, zu dem man mich gebracht hatte, der so mächtig ist, so geheim - er macht
Verschwörungen in der ganzen Welt, setzt Druckmittel ein, vergibt
Sonderaufträge. Er ist ein gnadenloser Mann in einem gnadenlosen Beruf. Und
doch, während ich, Grigoriew, bei ihm sitze, und wir sprechen über irgend jemands
geistesgestörte Tochter, dann habe ich das Gefühl, ich lese die intimsten Liebesbriefe
dieses großen Mannes. Ich sagte zu ihm: >Genosse. Sie erzählen mir viel
zuviel. Erzählen Sie mir nichts, was ich nicht unbedingt wissen muß. Sagen Sie
mir bloß, was ich tun soll.< Aber er sagt zu mir: >Grigoriew, Sie müssen
diesem Kind ein Freund sein. Dann werden Sie auch mein Freund sein. Das
verworrene Leben ihres
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