Carre, John le
Vaters hat sich schlimm auf sie ausgewirkt. Sie weiß
nicht, wer sie ist und wohin sie gehört. Sie spricht von Freiheit und hat keine
Ahnung, was das bedeutet. Sie ist das Opfer gemeingefährlicher bourgeoiser
Hirngespinste. Sie gebraucht schmutzige Ausdrücke, die sich für ein junges
Mädchen nicht schicken. Im Lügen besitzt sie das Ingenium des Wahnsinns.
Nichts von alledem ist ihre Schuld.< Dann frage ich ihn: >Genosse, kennen
Sie dieses Mädchen persönlich?< Und er sagt nur darauf: >Grigoriew, Sie
müssen ihr ein Vater sein. Ihre Mutter war in vieler Beziehung auch keine bequeme
Frau. Für diese Dinge haben Sie Verständnis. Im späteren Leben wurde sie
verbittert und unterstützte sogar ihre Tochter in deren anti-sozialistischen
Phantastereien.<«
Grigoriew schwieg eine Weile, und
Toby Esterhase, dem noch immer schwindelte bei dem Gedanken, daß Grigoriew
Karlas Vorschlag nur wenige Stunden danach mit seiner zeitweiligen Geliebten
besprochen hatte, war dankbar für die Atempause. »Ich fühlte, daß er auf mich
angewiesen war«, fuhr Grigoriew sodann fort. »Ich fühlte, daß er nicht nur
Fakten, sondern auch Gefühle verschwieg.«
Blieben noch, sagte Grigoriew, die
praktischen Details. Der Priester hatte bereits vorgesorgt. Leiterin der Klinik
sei eine Weißrussin, Ordensfrau, früher Angehörige der russisch-orthodoxen
Gemeinde in Jerusalem, aber eine tüchtige Person. In solchen Fällen sollten wir
keinen allzu strengen politischen Maßstab anlegen, habe der Priester gesagt.
Diese Frau habe Alexandra persönlich in Paris abgeholt und in die Schweiz
gebracht. Die Klinik verfüge auch über einen russisch sprechenden Arzt. Das
Mädchen spreche, dank der ethnischen Verbindungen ihrer Mutter, auch deutsch,
weigere sich aber häufig, das zu tun. Diese Faktoren hätten, zusammen mit der
isolierten Lage des Hauses, bei der Wahl dieser Klinik den Ausschlag gegeben.
Das Geld, das auf das Konto in Thun einbezahlt werde, reiche aus zur Begleichung
der Klinikkosten, der ärztlichen Betreuung, die im Monat bis zu tausend Franken
gehen dürften, und decke den geheimen Zuschuß für Grigoriews neuen Lebensstil.
Weitere Gelder seien verfügbar, falls Grigoriew dies für nötig erachte; er
solle keine Rechnungen oder Quittungen aufbewahren; falls Grigoriew betrügen
sollte, würde der Priester dies umgehend erfahren. Grigoriew solle einmal
wöchentlich die Klinik aufsuchen, um die Rechnung zu bezahlen und sich über das
Befinden des Mädchens zu erkundigen; der sowjetische Botschafter in Bern werde
dahingehend informiert, daß die Grigoriews mit einem geheimdienstlichen
Auftrag betraut seien und daß er ihnen entsprechenden Bewegungsspielraum
lassen solle.
Dann kam der Priester auf die Frage
zu sprechen, wie Grigoriew Verbindung mit Moskau halten solle.
»Er fragte mich: >Kennen Sie den
Kurier Krassky ?< Ich antworte, natürlich kenne ich diesen Kurier; Krassky
kommt mit seiner Eskorte jede Woche einmal, zuweilen auch zweimal in die Botschaft.
Wenn man nett ist mit ihm, bringt er einem einen Laib Schwarzbrot direkt aus
Moskau mit.«
In Zukunft, sagte der Priester,
werde Krassky pünktlich jeden Donnerstagabend während seines offiziellen
Besuchs in Bern Grigoriew privat aufsuchen, entweder in dessen Haus oder im
Büro in der Botschaft, aber wenn irgend möglich zu Hause. Es würden keine
konspirativen Gespräche geführt werden, sondern Krassky werde Grigoriew
lediglich einen Umschlag mit einem angeblichen persönlichen Brief von
Grigoriews Tante in Moskau aushändigen. Den Brief werde Grigoriew an einem
sicheren Ort bei vorgeschriebenen Temperaturen mit drei chemischen Lösungen
behandeln, die auf dem freien Markt erhältlich seien, der Priester nannte sie,
Grigoriew wiederholte jetzt die Bezeichnungen. Die Schrift, die dann zum
Vorschein komme, sagte der Priester, enthalte eine Liste von Fragen, die
Grigoriew dem Mädchen Alexandra beim nächsten wöchentlichen Besuch zu stellen
habe. Beim selben Treffen mit Krassky solle Grigoriew ihm einen Brief
an dieselbe Tante übergeben, in dem
er scheinbar in allen Einzelheiten über das Befinden seiner Gattin Grigoriewa
schreiben, in Wahrheit jedoch dem Priester alles über das Mädchen Alexandra
berichten werde. Das nenne man Wort-Code. Später werde der Priester, falls sich
dies als nötig erweisen sollte, Grigoriew mit Material zum Zweck einer noch
geheimeren Korrespondenz versorgen, doch zunächst genüge der Wort-Code-Brief
an Grigoriews Tante.
Dann händigte der
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