Carre, John le
um Ihren Mann, den Verräter Ostrakow, ein ehebrecherisches Verhältnis mit
dem sogenannten Musikstudenten Glikman, Joseph, ein, einem Juden mit vier
Vorstrafen wegen antisozialen Verhaltens, den Sie während Ihrer Haft
kennengelernt hatten. Sie lebten mit diesem Juden in dessen Wohnung zusammen.
Richtig oder falsch?«
»Ich
war einsam.«
»Als
Folge dieses Konkubinats mit Glikman haben Sie im Entbindungsheim
Oktoberrevolution in Moskau eine Tochter zur Welt gebracht, Alexandra. Die
Elternschaftsurkunde wurde von Glikman, Joseph, und Ostrakowa, Maria,
unterzeichnet. Das Mädchen wurde auf den Namen des Juden Glikman standesamtlich
eingetragen. Richtig oder falsch?«
»Richtig.«
»Die
ganze Zeit über haben Sie Ihr Gesuch um einen Auslandspaß aufrechterhalten.
Warum?«
»Sagte
ich Ihnen schon. Mein Mann war krank. Es war meine Pflicht, das Gesuch
aufrechtzuerhalten.«
Er
aß wieder, so gierig, daß er seine zahlreichen schlechten Zähne zur Schau
stellte. »Im Januar 1956 wurde Ihnen auf dem Gnadenweg ein Paß ausgestellt,
unter der Bedingung, daß Sie Ihre Tochter Alexandra in Moskau zurückließen. Sie
haben die genehmigte Aufenthaltsfrist überschritten und sind in Frankreich
geblieben, ohne Rücksicht auf Ihr Kind. Richtig oder falsch ?«
Die
Eingangstür und die Fassade waren aus Glas. Ein großer Laster parkte davor,
und im Lokal wurde es plötzlich dunkel. Der junge Kellner knallte ihren Tee
hin, ohne sie anzusehen.
»Richtig«,
sagte sie wieder und brachte es fertig, den Fremden anzuschauen. Sie wußte sehr
wohl, was nun kommen würde, und zwang sich, ihm zu zeigen, daß sie wenigstens
in dieser Hinsicht keine Zweifel und kein Bedauern hegte. »Richtig«, wiederholte
sie herausfordernd.
»Als
Gegenleistung für eine wohlwollende Verbescheidung Ihres Antrags durch die
Behörden hatten Sie sich den Organen des Staatssicherheitsdienstes gegenüber
schriftlich verpflichtet, während Ihres Pariser Aufenthalts gewisse Aufgaben
durchzuführen. Erstens, Ihren Mann, den Verräter Ostrakow, zu überreden, in
die Sowjetunion zurückzukehren.«
»Versuchen, ihn zu überreden«, sagte sie mit einem schwachen Lächeln. »Er war dieser
Anregung nicht zugänglich.«
»Zweitens,
Sie haben sich ebenfalls verpflichtet, Informationen über Umtriebe und
Mitglieder revanchistischer sowjetfeindlicher Emigrantengruppen zu sammeln.
Sie haben zwei völlig wertlose Berichte geliefert, und dann nichts mehr.
Warum?« »Mein Mann verachtete derartige Gruppen und hatte den Kontakt mit
ihnen abgebrochen.«
»Sie
hätten auch ohne ihn in diesen Gruppen verkehren können. Sie haben sich
schriftlich verpflichtet und die Verpflichtung nicht eingehalten. Ja oder
nein?«
»Ja.«
»Und
dafür lassen Sie Ihr Kind in Rußland zurück? Bei einem Juden? Um sich einem
Volksfeind und Landesverräter zu widmen? Dafür vernachlässigen Sie Ihre
Pflicht? Überschreiten Sie die genehmigte Frist, bleiben Sie in Frankreich?«
»Mein
Mann lag im Sterben. Er brauchte mich.«
»Und
das Kind Alexandra? Es brauchte Sie nicht? Ist ein sterbender Mann wichtiger
als ein lebendes Kind? Ein Verräter? Ein Verschwörer gegen das Volk?«
Die
Ostrakowa ließ ihr Gelenk los, griff entschlossen nach dem Tee und verfolgte
das Glas mit der obenauf schwimmenden Zitronenscheibe auf dem Weg zu ihrem
Mund. Über das Glas hinweg sah sie einen schmierigen Mosaikboden, und jenseits
davon das geliebte, grimmig-freundliche Gesicht Glikmans, das sich über sie
neigte, sie aufforderte, zu unterzeichnen, wegzugehen, alles zu schwören, was
»sie« verlangten. Die Freiheit für einen ist mehr als die Sklaverei für drei,
hatte er geflüstert; ein Kind von Eltern wie wir hat keine Chance in Rußland,
ob du nun bleibst oder gehst; geh, und wir werden versuchen, nachzukommen;
unterschreibe alles, reise ab und lebe für uns alle; wenn du mich liebst, dann
geh . . .
»Damals
waren die Zeiten immer noch hart«, sagte sie schließlich zu dem Fremden, als
beschwöre sie Erinnerungen herauf. »Sie sind zu jung. Die Zeiten waren hart,
selbst nach Stalins Tod: immer noch hart.«
»Schreibt
der kriminelle Glikman weiterhin an Sie?« fragte der Fremde in überlegenem und
wissendem Ton.
»Er
hat nie geschrieben«, log sie. »Wie konnte er schreiben, als Dissident unter
Hausarrest? Die Entscheidung, in Frankreich zu bleiben, habe ich allein
getroffen.«
Schwärz
dich an, dachte sie; tu alles, um die zu schonen, die in »ihrer« Gewalt sind.
»Ich
habe von Glikman nichts gehört,
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