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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krieg im Spiegel (Smiley Bd 4)
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Möbel und den
schmiedeeisernen Lampenfüßen niedergeschlagen hatte. Es gab auch einen Spiegel
in goldenem Rahmen und ein aus Laubsägearbeit und Gips angefertigtes Bild sowie
eine neue Standuhr, deren kleine Gewichte sich unter einem Glassturz hin und
her drehten. Als er das Barschränkchen öffnete, begann eine Spieluhr ihre kurze
Melodie zu spielen. Er mixte sich mit großer Sorgfalt einen White Lady, wie ein
Mensch, der sich eine Medizin zubereitet. Sie sah ihm dabei zu und zuckte im
Takt der Musik mit ihren Hüften, wobei sie ihr Glas seitlich von sich weghielt,
als sei es die Hand ihres Partners und als sei dieser Partner nicht Leiser.
»Was für ein Mann?« wiederholte sie. Er stand vor dem Fenster, mit steifem
Rücken, wie ein Soldat.
    Der grelle
Widerschein des flackernden Herzens auf dem Dach zuckte über die Häuser,
erfaßte die Streben der Brücke und spiegelte sich zitternd auf der nassen
Fahrbahn der Allee. Hinter den Häusern erhob sich die Kirche. Sie sah aus wie
ein Kino, auf das man einen spitzen Turm mit gerillten Ziegeln gesetzt hatte,
hinter dessen Öffnungen manchmal die Glocken läuteten. Hinter der Kirche war
der Himmel. Manchmal glaubte er, die Kirche werde das einzige sein, was Bestand
haben werde. Dann erschien ihm der Himmel über London wie vom Widerschein einer
brennenden Stadt erhellt.
    »Gott,
bist du heute abend aber fröhlich!«
    Die
Kirchenglocken wurden von einem Tonband abgespielt, in vielfacher Verstärkung,
damit sie den Lärm des Verkehrs übertönen konnten. An den Sonntagen verkaufte
er sehr viel Benzin. Der Regen schlug jetzt kräftiger auf die Fahrbahn - er
konnte sehen, wie er die Scheinwerfer der Autos dämpfte und grün und rot auf
dem Asphalt tanzte. »Komm, Fred, tanz mit mir.«
    »Noch
einen Augenblick, Bett.«
    »Ja
Himmel, was ist nur los mit dir? Trink was und vergiß es!«
    Er konnte
hören, wie ihre Füße im Rhythmus der Musik über den Teppich schleiften und wie
die Anhänger an ihrem Armband unermüdlich dazu klimperten. »Himmel noch mal,
nun tanz schon.« Sie sprach undeutlich und zog die letzte Silbe jedes Satzes
nachlässig weit über ihre normale Länge. Es war die gleiche berechnete
Desillusion, mit der sie sich selbst hinzugeben pflegte - nämlich mürrisch, als
gebe sie Geld, oder als gehöre das Vergnügen nur den Männern, während den
Frauen nichts als Schmerz blieb.
    Sie hielt mit einer
gleichgültig-unvorsichtigen Bewegung des Tonarmes die Platte an. Im
Lautsprecher hörte man, wie die Nadel über die Rillen kratzte. »Was, zum
Teufel, ist eigentlich los?«
    »Nichts. Gar nichts. Ich hab nur
einen schweren Tag gehabt, das ist alles. Dann kam dieser Mann - jemand, den
ich von früher kenne.«
    »Ich frage dich immer noch: wer?
Es war eine Frau, was? Irgendein Flittchen.«
    »Nein, Betty, es war ein Mann.«
Sie kam zu ihm ans Fenster und gab ihm gleichgültig einen Stoß. »Was ist denn
so verdammt großartig an dieser Aussicht? Nichts als ein Haufen verrotteter
kleiner Häuser. Du sagst selbst immer, daß sie dich ankotzen. Na, wer war es?«
    »Er ist von einer der großen
Gesellschaften.«
    »Und sie wollen dich haben?«
    »Ja... sie wollen mir ein Angebot
machen.«
    »Gott, wer will schon so einen
verdammten Polen?« Er machte keine Bewegung. »Sie wollen.«
    »Es war jemand in der Bank, um
sich nach dir zu erkundigen, mußt du wissen. Sie haben alle zusammen in Mr.
Dawnays Büro gesessen. Du bist in Schwierigkeiten, nicht wahr?«
    Er nahm
ihren Mantel und half ihr mit sehr korrekt angewinkelten Ellbogen hinein.
    Sie sagte: »Um Gottes willen nur
nicht wieder dieses neue Lokal mit den stinkfeinen Keimern.«
    »Aber es ist doch nett dort, oder
nicht? Ich dachte, du hättest es gern gehabt. Man kann auch tanzen. Du magst
das doch. Wohin willst du denn gehen?«
    »Mit dir? Ja Himmelherrgott
irgendwohin, wo's ein bißchen lebendig ist, mehr nicht!«
    Er starrte sie an, während er die
Tür für sie aufhielt.
    Plötzlich lächelte er.
    »Okay, Bett. Wie du willst. Es ist
dein Abend. Laß schon mal den Wagen an. Ich werde einen Tisch bestellen.« Er
gab ihr die Schlüssel. »Ich kenn was, ein wirklich tolles Lokal.«
    »Was, zum Teufel, hat dich
gebissen?«
    »Du kannst fahren. Diese Nacht
hauen wir uns um die Ohren.« Er ging zum Telefon.
    Es war
kurz vor elf, als Haldane ins Büro zurückkam. Leclerc und Avery erwarteten ihn.
Carol tippte im Sekretariat.
    »Ich
dachte, du würdest früher zurück sein«, sagte Leclerc.
    »Es hat
nicht geklappt. Er

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