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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krieg im Spiegel (Smiley Bd 4)
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Waffe spannen,
Sir, halten Sie sie dabei schräg vor sich hin. Jetzt in Schußrichtung bringen,
nicht zielen, schießen Sie ein Magazin leer, Sir, immer zwei Schüsse
hintereinander. Wir erinnern uns, daß wir die Automatik nicht als
wissenschaftliche Waffe betrachten, Sir, sondern mehr als eine Waffe für den
Einsatz im Nahkampf. Jetzt langsam, ganz langsam.«
    Ehe er den
Satz beenden konnte, hallte der Schießstand von Leisers Schüssen wider. Leiser
hielt sich sehr gerade und schoß schnell, das zweite Magazin vorschriftsmäßig
wie eine Handgranate in der linken Hand: ein stummer Mann, der eine Möglichkeit
gefunden hatte, seinem Ärger Ausdruck zu geben. Avery konnte mit wachsender
Erregung den Zorn spüren, der in diesem Schießen lag. Erst zwei und noch einmal
zwei Schüsse, dann drei, und schließlich eine ganze Ladung, während sich
leichter Dunst um ihn ausbreitete und der Holzsoldat schwankte und Averys Nase
sich mit dem süßlichen Geruch verbrannten Pulvers füllte.
    »Elf von
dreizehn im Ziel«, sagte der Ausbilder. »Sehr gut, wirklich sehr gut. Nächstes
Mal bitte bei jeweils zwei Schüssen hintereinander zu bleiben. Und warten Sie,
bis ich den Befehl zum Feuern gebe.« Zu Avery: »Möchten Sie's nicht auch
versuchen, Sir?« Leiser war zur Scheibe gegangen und befühlte die
Einschußlöcher mit seinen schlanken Fingern. Die plötzliche Stille war drückend.
Er schien in tiefes Grübeln versunken, während er seine Hände über das
Sperrholz gleiten ließ und mit einem Finger gedankenvoll über den Umriß des
deutschen Helmes strich, bis der Ausbilder sagte: »Los jetzt, wir haben nicht
den ganzen Tag Zeit.«
    Avery stand auf der Matte und wog
die Waffe in seiner Hand. Der Ausbilder half ihm, das Magazin einzuführen das
andere hielt er in der nervös verkrampften linken Hand. Haldane und Leiser
sahen ihm zu. Avery feuerte. Der Lärm der schweren Waffe dröhnte dumpf in
seinen Ohren und er merkte, wie sein junges Herz sich zusammenzog, als er die
Silhouette durch seine Schüsse in träge Schwankungen versetzt sah. »Gut
gemacht, John, gut gemacht«, rief Leiser. »Sehr gut«, sagte der Ausbilder
automatisch. »Sehr gut fürs erste Mal, Sir.« Er wandte sich an Leiser: »Würden
Sie bitte hier nicht so herumbrüllen?« Er erkannte Ausländer auf den ersten
Blick. »Wieviel?« fragte Avery gierig, als er und der Unteroffizier an der
Scheibe zusammentrafen und die schwärzlichen Löcher betasteten, die dünn über
Brust und Bauch der Figur verstreut waren. »Wieviel, Stab?«
    »Sie
sollten mit mir kommen, John«, flüsterte Leiser und legte seinen Arm um Averys
Schulter. »Ich könnte Sie gut brauchen, da drüben.« Einen Augenblick zuckte
Avery zurück. Aber dann legte auch er lachend seinen Arm um Leiser. Er fühlte
den warmen, rauhen Stoff der Sportjacke unter seiner Handfläche. Der Ausbilder
führte sie über den Exerzierplatz zu einem fensterlosen Ziegelbau, dessen
eines Ende höher als das andere war und der an ein Theater erinnerte. Vor dem
Eingang waren zwei sich überlappende Mauern, wie vor einem Pissoir.
»Bewegliche Ziele«, sagte Haldane, »und Schießen bei Dunkelheit.«
    Mittags
spielten sie die Tonbänder ab. Die Bänder sollten sich wie ein Leitmotiv durch
die ersten vierzehn Tage seiner Ausbildung ziehen. Sie waren von alten
Grammophonplatten überspielt. Eine der Platten hatte einen Sprung, der wie das
Ticken eines Metronoms immer wiederkehrte. Alle Platten gehörten zu einem
schweren Gesellschaftsspiel, bei dem man sich Dinge merken mußte, die von den
Sprechern nicht ausdrücklich gesagt, sondern ganz nebenbei und manchmal nur
indirekt erwähnt wurden, oft vor einem die Aufmerksamkeit ablenkenden Hintergrund
anderer Geräusche, - Dinge, die jetzt in der Unterhaltung bestritten, dann
wieder korrigiert oder bestätigt wurden. Es waren drei Hauptstimmen, zwei
männliche und eine weibliche. Andere unterbrachen. Es war die Frau, die ihnen
auf die Nerven ging. Sie hatte eine antiseptische Stimme, die Stewardessen
ganz von selbst anzunehmen scheinen. Auf dem ersten Bandstück las sie sehr
schnell Listen herunter, zuerst eine Einkaufsliste: zwei Pfund von diesem und
ein Kilo von jenem. Ohne abzusetzen, sprach sie dann plötzlich von farbigen
Kegeln: so und so viele grün, so und so viele gelb. Dann waren es plötzlich
Waffen: Revolver, Torpedos, Munition von diesem und jenem Kaliber. Dann eine
Fabrik: Kapazität, Produktion, Ausschuß, Jahresumsatz und Monatsergebnisse.
Auf dem nächsten

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