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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krieg im Spiegel (Smiley Bd 4)
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und starrte auf die Vorbeieilenden. Das Gedränge
verwirrte ihn. Bei jedem Schritt wippte sein langes Haar.
    Avery, der
ihn beobachtete, fühlte sich plötzlich beunruhigt.
    Er war ein
Mensch, kein Schemen. Ein Mann mit einem kräftigen Körper und sinnvollen
Bewegungen. Und doch war er wie ein Roboter, den sie lenken mußten. Es schien
keinen Ort zu geben, zu dem er nicht marschieren würde. Er wirkte wie ein
einrückender dem er nicht marschieren würde. Er wirkte wie ein einrückender
Rekrut und hatte bereits dessen diensteifrige, frische Art angenommen. Aber
Avery mußte sich eingestehen: keine Einzelheit dieser Unternehmung entsprach
einer militärischen Dienstverpflichtung Leisers. Avery hatte sich jedoch
während seiner kurzen Arbeit in der Organisation bereits mit der seltsamen
Tatsache vertraut gemacht, daß einzelne Unternehmungen, die aus unerfindlichen
Ursprüngen entstanden, zu keinem Ergebnis führten und doch Teil einer
unendlichen Kette von Betätigungen waren. Sie verloren schließlich ihre eigene
Wesenheit und hörten auf, als Einzelunternehmen erkennbar zu sein - nicht unähnlich
einer fortgesetzten Reihe fruchtloser Liebesanträge, die in ihrer Gesamtheit
als aktives Geschlechtsleben galten. Während er aber nun beobachtete, wie
dieser Mann schnell und lebendig neben ihm dahinstapfte, erkannte er, daß sie
bis zu diesem Augenblick innerhalb der Organisation nur eine Art geistiger
Inzucht getrieben hatten, indem sie nichts als Ideen umwarben. Jetzt aber
hatten sie es mit einem menschlichen Wesen zu tun, und hier, neben ihm, ging
es, in Fleisch und Blut: Leiser. Sie stiegen in das Taxi, Leiser zuletzt, um
ihnen den Vorrang zu lassen. Es war spät am Nachmittag, der Himmel hinter den
kahlen Bäumen war grau. Aus den Schornsteinen von Nord-Oxford stiegen dicke
Rauchsäulen wie die Zeichen keuscher Opferfeuer. Die Häuser zeigten eine
bescheidene Stattlichkeit, jedes von ihnen schien als romantische Behausung
einer anderen Sage herausgeputzt worden zu sein. Hier die Türmchen von König
Artus' Schloß, dort die geschnitzten Gitter einer Pagode, dazwischen exotische
Zwergnadelgewächse und halb sichtbare Wäsche, wie Schmetterlinge in einer
falschen Jahreszeit. Die Häuser standen alle ordentlich jedes in seinem
Garten, ihre Vorhänge waren säuberlich zugezogen, zuerst die Spitzengardinen
und darüber der dicke Brokat, wie Unterrock und Rock. Es sah wie ein schlechtes
Aquarell aus, auf dem die dunklen Farben zu schwer ausgefallen sind und der
Himmel grau und schmutzig in der Dämmerung, die Farben zu stark verarbeitet. An
der Straßenecke stiegen sie aus dem Taxi. Die Luft war vom Geruch modrigen
Laubes durchzogen, und wenn es in der Nachbarschaft Kinder gab, so machten sie
keinen Lärm. Die drei Männer gingen auf das Gartentor zu. Leiser stellte seine
Koffer ab und betrachtete das Haus. »Hübsch«, sagte er anerkennend, und zu
Avery gewandt: »Wer hat es ausgesucht?«
    »Ich.«
    »Sehr
schön.« Er klopfte Avery auf die Schulter. »Gut gemacht!« Avery lächelte
erfreut und öffnete das Tor. Leiser bestand darauf, erst nach den anderen
hineinzugehen. Sie brachten ihn zu seinem Zimmer hinauf. Er trug immer noch
seine Koffer selbst. »Ich werde später auspacken«, sagte er. »Ich mache das
gern ordentlich!« Er ging mit prüfendem Blick durch das Haus und nahm einzelne
Gegenstände in die Hand, um sie genauer betrachten zu können, als wolle er ein
Angebot für das Haus machen. »Ein hübsches Haus«, erklärte er schließlich. »Mir
gefällt's.«
    »Gut«,
sagte Haldane, als sei ihm das völlig gleichgültig.
    Avery ging mit Leiser zu dessen
Zimmer zurück, um ihm eventuell behilflich zu sein. »Wie heißen Sie?« fragte
Leiser. Mit Avery allein fühlte er sich wohler, war ungezwungener. »John.«
    Sie schüttelten sich noch einmal
die Hand. »Guten Tag, also, John. Nett, Sie kennenzulernen. Wie alt sind Sie?«
    »Vierunddreißig«, log John.
    Ein Blinzeln. »Gott, ich wäre auch
gern noch mal vierunddreißig. Haben Sie so was schon mal gemacht?«
    »Kam von meinem Einsatz vor einer
Woche zurück.«
    »Und wie ist es gelaufen?«
    »Prima.«
    »Schau an. Wo ist Ihr Zimmer?«
Avery zeigte es ihm.
    »Sagen Sie, wie ist das hier
eigentlich?«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Wer leitet die Sache?«
    »Captain Hawkins.«
    »Sonst niemand?«
    »Eigentlich nicht. Ich werde auch
da sein.«
    »Immer?«
    »Ja.«
    Leiser begann auszupacken. Avery
sah ihm dabei zu. Er hatte mit Leder überzogene Bürsten,

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