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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krieg im Spiegel (Smiley Bd 4)
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verkehrt gemacht. Ich habe Ihnen doch gesagt, Sie
sollten die Anzahl der kommenden Gruppen vor jeder
Meldung senden. Sie können sich aber auch gar nichts merken!«
    »Und ich
habe Ihnen gesagt, Sie sollen mich in Ruhe lassen!« Er wollte gerade noch etwas
hinzusetzen, als die Türglocke läutete. Es war Hyde. Mit ihm kam ein Assistent,
ein dicker Mensch, der irgendein Mittel gegen die Folgen des schlechten
Wetters lutschte. Beim Mittagessen wurden keine Tonbänder abgespielt. Ihre
Gäste saßen nebeneinander und kauten mürrisch, als hätten sie jeden Tag das
gleiche Essen, das sie nur wegen des Nährwertes zu sich nahmen. Hyde war ein
magerer, dunkelhäutiger Mann ohne den geringsten Anflug von Humor. Er erinnerte
Avery an Sutherland. Er war gekommen, um Leiser eine neue Identität zu geben.
Er hatte Papiere mitgebracht, die Leiser unterschreiben mußte Ausweise, eine
Art Lebensmittelkarten, einen Führerschein, einen Erlaubnisschein, der zum
Betreten des Grenzgebietes innerhalb eines gewissen Abschnittes berechtigte -,
sowie ein altes Hemd, das er aus der Aktentasche zog. Nach dem Essen breitete
er alles auf dem Tisch im Salon aus, während der Assistent seine Kamera fertig
machte.
    Leiser
mußte das Hemd anziehen, und sie fotografierten ihn von vorn, so daß seine
beiden Ohren entsprechend den ostdeutschen Vorschriften zu sehen waren. Dann
zeigten sie ihm, wie er zu unterschreiben hatte.
    Er wirkte nervös.
    »Wir werden Sie Freiser nennen«,
sagte Hyde, als sei die Angelegenheit damit erledigt. »Freiser? Das klingt ja
wie mein richtiger Name.«
    »Eben. Das soll es auch. Ihre
Leute wollten es so haben. Für die Unterschriften und so - damit's keine
Schwierigkeiten damit gibt. Besser, Sie versuchen es vorher ein paarmal, ehe
Sie unterschreiben.«
    »Ich hätte es lieber anders. Ganz
anders.«
    »Wir werden bei Freiser bleiben,
glaube ich«, sagte Hyde. »So ist es auf höherer Ebene entschieden worden.«
Hyde war ein Mann, der sich ganz auf passive Verbalformen verließ. Eine
ungemütliche Stille folgte. »Ich will's anders. Mir gefällt Freiser nicht, und
ich möchte es anders.« Auch Hyde gefiel ihm nicht, und er war drauf und dran,
das ebenfalls zu sagen. Haldane mischte sich ein. »Sie haben sich den Anweisungen
zu fügen. Die Organisation hat die Entscheidung getroffen. Von Änderungen kann
keine Rede sein.«
    Leiser war
sehr blaß geworden. »Dann kann man diese Anweisungen verdammt einfach durch
neue ersetzen. Ich will einen anderen Namen, weiter nichts. Das ist doch nicht
viel, Herrgott, oder? Ich will nicht mehr als einen anderen Namen. Einen
anständigen, nicht so eine halbseidene Imitation.«
    »Ich
verstehe nicht«, sagte Hyde. »Es ist doch nur für eine Übung, nicht?«
    »Sie
brauchen gar nichts zu verstehen, Sie sollen es nur ändern. Mehr nicht. Wer,
zum Teufel, glauben Sie eigentlich zu sein, daß Sie hier einfach reinkommen und
mich herumkommandieren? «
     
    »Ich werde mit London sprechen«,
sagte Haldane und ging in sein Zimmer hinauf. Während sie warteten, bis er
wieder herunterkam, herrschte peinliches Schweigen.
    »Sind Sie mit >Hartbeck<
zufrieden?« fragte Haldane. Seine Stimme war nicht ohne Sarkasmus. Leiser
lächelte. »Hartbeck. Das ist gut.« Er breitete seine Arme in einer
Entschuldigung heischenden Geste aus. »Hartbeck ist gut.«
    Leiser
übte die Unterschrift zehn Minuten, dann unterzeichnete er die Papiere, wobei
er jedesmal zuerst eine kleine Bewegung machte, als müsse er Staub entfernen.
    Hyde
erklärte ihnen die Dokumente. Er brauchte sehr lange dazu. In Ostdeutschland,
sagte er, gebe es derzeit kein richtiges Rationierungssystem, aber man lasse
sich bei bestimmten Geschäften einschreiben und erhalte eine Bestätigung
darüber. Er erklärte das Prinzip der Reisegenehmigungen und die Voraussetzungen,
unter denen man welche bekomme. Er sprach lange darüber, daß Leiser seinen
Personalausweis jedesmal ungefragt vorlegen müsse, wenn er eine Fahrkarte
kaufen oder ein Hotelzimmer nehmen wolle. Leiser begann mit ihm zu streiten,
und Haldane versuchte, die Sitzung abzubrechen. Hyde achtete nicht auf ihn.
Erst als er fertig war, nickte er ihnen zu und ging, gemeinsam mit seinem
Fotografen, nachdem er noch das alte Hemd zusammengelegt und in seiner
Aktentasche verstaut hatte, als gehöre es zu seiner Ausrüstung.
    Der
Ausbruch Leisers schien Haldane sehr zu beschäftigen. Er rief in London an und
befahl seinem Assistenten Gladstone, in Leisers Akte nach irgendeinem Hinweis
auf

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