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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krieg im Spiegel (Smiley Bd 4)
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Leiser darauf, ihn als Außenseiter zu behandeln, dem er keine volle
Zugehörigkeit zu der verschworenen Gemeinschaft zubilligen wollte, von der er
sich einbildete, daß sie zwischen Avery, Haldane und ihm selbst bestehe. Eine
besonders lächerliche Szene ereignete sich einmal beim Frühstück. Leiser hob
den Deckel eines Marmeladetopfes, betrachtete den Inhalt und fragte, indem er
sich an Avery wandte: »Ist das Bienenhonig?«
    Johnson beugte sich mit dem Messer
in der einen und dem Butterbrot in der anderen Hand über den Tisch. »In England
sagt man das nicht, Fred. Wir nennen es einfach Honig.«
    »Das meine
ich: Honig, Bienenhonig.«
    »Einfach:
Honig«, wiederholte Johnson. »Engländer sagen einfach Honig dazu.«
    Leiser
setzte den Deckel wieder sorgfältig auf den Topf, Er war blaß vor Zorn. »Ich
brauche keine Belehrungen von Ihnen.«
    Haldane
sah von seiner Zeitung auf und sagte scharf: »Seien Sie still, Johnson.
Bienenhonig ist absolut korrekt.«
    Leisers
Höflichkeit hatte etwas Unterwürfiges, seine Streitigkeiten mit Johnson
erinnerten an den Hinterhof. Von derartigen Zusammenstößen abgesehen, entwickelten
die beiden jedoch wie alle Männer, die täglich an einer gemeinsamen Aufgabe
zusammenarbeiten müssen, eine zunehmende Abhängigkeit von den gleichen
Hoffnungen, Stimmungen und Depressionen. Hatte es beim Unterricht keine
Schwierigkeiten gegeben, so verlief die folgende Mahlzeit in fröhlicher
Stimmung. Die beiden warfen sich dann nur für Eingeweihte verständliche
Bemerkungen über den Zustand der Ionosphäre, das Überwechseln auf eine andere
Frequenz oder einen ungewöhnlichen Instrumentenausschlag zu, der sich während
des Abstimmens ergeben hatte. Wenn der Unterricht schlecht verlaufen war,
sprachen sie wenig oder überhaupt nicht, und alle außer Haldane schlangen
hastig ihr Essen hinunter, da sie nichts zu sagen hatten. Manchmal fragte
Leiser, ob er nicht einen Spaziergang mit Avery machen könne, aber Haldane
schüttelte dann den Kopf und sagte, dafür sei keine Zeit. Avery, ein schuldbewußter
Liebhaber, machte keine Anstalten, ihm zu Hilfe zu kommen.
    Als die
zwei Wochen ihrem Ende entgegengingen, erhielt das Mayfly-Haus den Besuch
verschiedener Spezialisten aus London. Ein großer Mann mit tiefliegenden Augen
unterwies Leiser im Gebrauch einer überkleinen Miniaturkamera mit Wechseloptik,
und ein Arzt - gütig und vollkommen uninteressiert - lauschte endlos lange auf
Leisers Herzschlag. Auf diesem Besuch hatte das Schatzamt bestanden, da es um
die Frage der Hinterbliebenenrente ging. Leiser erklärte zwar, keine
Angehörigen zu besitzen, aber um das Schatzamt zufriedenzustellen, wurde er
dennoch untersucht.
    Die Pistole
übte eine sehr beruhigende Wirkung auf Leiser aus. Avery hatte sie ihm nach der
Rückkehr von seinem freien Wochenende gegeben. Er bevorzugte ein Achselhalfter
- der Schnitt seiner Jacke ließ die Ausbuchtung kaum erkennen -, und am Ende eines
langen Tages pflegte er die Waffe hervorzuholen und mit ihr zu spielen, indem
er durch ihren Lauf blickte, sie hob und senkte wie damals im Schießstand. »Es
gibt keine bessere Pistole«, sagte er dann, »zumindest nicht in diesem
Kaliber. Nicht geschenkt möchte ich eine von den Typen, die sie auf dem Festland
verwenden. Das sind Waffen für Weiber. Wie ihre Autos. Ich kann Ihnen
versichern, John, die Drei-Acht ist die Beste.«
    »Man nennt
sie jetzt Neun-Millimeter.« Die Ablehnung, die Leiser unverhohlen gegenüber Fremden
zeigte, erreichte ihren unerwarteten Höhepunkt, als Hyde zu Besuch kam, ein
Mann aus dem Rondell. Es war ein Vormittag, an dem alles schiefging. Leiser
hatte nach der Stoppuhr geprobt, vierzig Gruppen entschlüsselt und dann
gesendet. Eine Funkbrücke verband sein Schlafzimmer mit dem Johnsons, über die
sie hinter verschlossenen Türen Meldungen austauschten. Johnson hatte ihm eine
Reihe international üblicher Kode-Abkürzungen beigebracht: QRJ - Ihre Zeichen
sind zu schwach, QRW - bitte schneller, QSD - Sie morsen schlecht, QSM - letzte
Meldung wiederholen, QSZ - bitte jedes Wort zweimal senden, QRU - ich habe
nichts für Sie. Obwohl Johnsons Bemerkungen über die zunehmend ungleichmäßiger
werdenden Morsezeichen Leisers derart verschlüsselt waren, verwirrten sie
Leiser noch mehr, bis er schließlich mit einem Fluch sein Gerät abschaltete und
zu Avery hinunterging. Johnson folgte ihm.
    »Hat
keinen Sinn, aufzugeben, Fred.«
    »Lassen
Sie mich in Ruhe!«
    »Schauen
Sie, Fred: Sie haben es ganz

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