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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krieg im Spiegel (Smiley Bd 4)
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Vermerk: »Nicht
verwenden. Erfindung!« Der Vermerk war mit einer ausführlichen Begründung
versehen, aus der hervorging, daß ganze Absätze wortwörtlich von einem 1949
erschienenen sowjetischen Militärhandbuch abgeschrieben waren. Der Verfasser
schien einfach jede Zahlenangabe des Originals um rund ein Drittel vergrößert
und das Ganze mit einigen eigenen Einfallen gewürzt zu haben. Er hatte sechs
sehr verwackelte Fotos beigelegt, die den Eindruck erweckten, als seien sie
mit dem Teleobjektiv aus einem fahrenden Zug aufgenommen worden. Auf der
Rückseite der Fotos stand in McCullochs sorgfältiger Schrift: »Benützte
angeblich Exa Zwei-Kamera. Ostdeutsches Fabrikat, schlechtes Gehäuse. Exakta
Tele-Optik. Niedere Verschlußgeschwindigkeit. Negative durch Rütteln des Zuges
sehr verwackelt. Sehr zweifelhaft.« Das alles sagte nicht viel. Die gleiche
Kameramarke, mehr nicht. Er schloß das Archiv ab und ging nach Hause. Leclerc
hatte gesagt, es sei nicht seine Aufgabe, den Beweis zu erbringen, daß
Christus wirklich am Weihnachtstag auf die Welt gekommen sei. Noch viel
weniger, dachte Haldane, war es seine Aufgabe, den Beweis dafür zu erbringen,
daß Taylor wirklich ermordet worden war.
    Woodfords
Frau gab etwas Soda in ihren Scotch, nur einen Spritzer: mehr aus Gewohnheit,
als aus Bedürfnis.
    »Du meine Güte, im Büro schlafen!«
sagte sie. »Bekommst du Einsatzzulage?«
    »Ja, selbstverständlich.«
    »Also ist es keine Konferenz,
nicht wahr? Eine Konferenz ist kein Einsatz. Außer«, fügte sie kichernd hinzu,
»ihr habt sie im Kreml.«
    »Also gut,
es ist keine Konferenz. Es ist ein Einsatz. Und deshalb die Zulage.«
    Sie
betrachtete ihn durch den aufsteigenden Rauch der zwischen ihren Lippen
steckenden Zigarette mit einem erbarmungslosen Blick ihrer halb geschlossenen
Augen. Sie war eine magere, kinderlose Frau. »In Wirklichkeit ist überhaupt
nichts los. Du hast das alles erfunden.« Sie begann zu lachen. Es klang hart
und böse. »Du armer Dummkopf.« Wieder lachte sie. »Wie geht's dem kleinen
Clarkie? Ihr habt alle Angst vor ihm, nicht wahr? Warum sagst du nie etwas
gegen ihn? Jimmy Gorton war anders. Der hat ihn durchschaut.«
    »Erzähl mir nichts von Jimmy
Gorton.«
    »Jimmy ist wunderbar!«
    »Babs, ich
warne dich!«
    »Der arme
Clarkie.« Sie wurde nachdenklich. »Erinnerst du dich an die Einladung zu
diesem netten kleinen Abendessen in seinem Club? Damals, als er sich plötzlich
erinnert hatte, daß er sich auch uns gegenüber einmal als Wohltäter erweisen
müßte? Steak und Nieren und tiefgekühlte Erbsen.« Sie nippte an ihrem Whisky.
»Und warmer Gin.« Plötzlich durchfuhr sie ein Gedanke. »Ich frage mich, ob er
jemals eine Frau gehabt hat«, sagte sie. »Herrgott, warum ist mir das nicht
schon eher eingefallen!« Woodford kehrte auf festeren Boden zurück. »Also gut,
es ist nichts los.« Er stand mit einem dummen Grinsen auf und holte sich
Streichhölzer vom Schreibtisch.
    »Hier
wirst du deine verdammte Pfeife nicht rauchen«, sagte sie automatisch.
    »Also es ist nichts los«,
wiederholte er zufrieden, zündete seine Pfeife an und sog geräuschvoll daran.
»Gott, ich hasse dich!«
    Woodford
schüttelte, noch immer grinsend, den Kopf. »Mach dir nichts draus«, sagte er.
»Mach dir einfach nichts draus. Du hast es gesagt, meine Liebe, und nicht ich.
Ich schlafe nicht im Büro. Damit ist alles in Ordnung, nicht wahr? Ich bin auch
nicht in Oxford gewesen. Ich war nicht einmal im Ministerium. Ich habe auch
kein Auto bekommen, das mich am Abend nach Hause bringt.«
    Sie beugte
sich vor. Ihre Stimme klang plötzlich drängend und gefährlich. »Was ist los?«
stieß sie hervor. »Ich habe ein Recht darauf, es zu
erfahren. Ich bin deine Frau, oder nicht? Diesen kleinen Huren im Büro erzählt
ihr es ja auch, oder? Also rede!«
    »Wir
schicken einen Mann über die Grenze«, sagte Woodford. Jetzt war es an ihm, zu
triumphieren. »Hier in London habe ich die Sache
in der Hand. Es ist eine Krise, vielleicht gibt's sogar einen Krieg. Es handelt
sich um eine verdammt heikle Sache.« Das Streichholz war ausgegangen, aber er
schwenkte es noch immer mit weit ausholender Armbewegung hin und her, während
er sie triumphierend ansah. »Verdammter Lügner«, sagte sie. »Das kannst du jemand
anderem erzählen!«
    In der
Kneipe in Oxford waren fast keine Menschen. Die paar Gäste standen an der
Theke, und sie hatten die Tische für sich allein. Leiser nippte an einem White
Lady, während der Funker das

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