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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krieg im Spiegel (Smiley Bd 4)
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»Ja, taten wir das? Auf dem Land können wir doch nicht ins Theater
gehen, oder?«
    »Die
Organisation bedeutet mir etwas, verstehst du das nicht? Es ist eine wirkliche
Position. Und wichtig, Sarah.«
    Sie schob ihn sanft weg. »Meine
Mutter hat uns für Weihnachten nach Reigate eingeladen.«
    »Wird sehr nett sein. Schau, wegen
des Büros: Nach allem, was ich getan habe, ist man mir jetzt verpflichtet. Sie
erkennen mich als Gleichwertigen an, als Kollegen. Ich bin einer von ihnen.«
    »Du trägst also keine
Verantwortung? Du bist nur ein Teil der Gruppe. Also brauchst du keine Opfer zu
bringen.« Sie waren so weit wie am Anfang. Avery, der das nicht begriffen
hatte, fuhr sanft fort: »Ich kann ihm doch sagen, daß du kommen wirst? Daß wir
einmal zusammen essen gehen?«
    »Herrgott noch mal, John«, fuhr sie
ihn an, »hör auf, mich wie einen deiner verdammten Agenten zu behandeln.«
    Haldane
saß inzwischen an seinem Schreibtisch und studierte Gladstones Bericht. Zweimal
hatte es in der Gegend von Kalkstadt Manöver gegeben: 1952 und 1960. Beim
zweitenmal hatte russische Infanterie ohne Deckung aus der Luft, aber mit der
Unterstützung schwerer Panzer einen Angriff auf Rostock simuliert. Über das
Manöver im Jahre 1952 wußte man wenig, außer, daß ein großer Truppenteil die
Stadt Wolken besetzt hatte. Man nahm an, daß sie magentarote Schulterstücke
getragen hatten. Der Bericht war nicht zuverlässig. Beide Male war die Gegend
zum Sperrgebiet erklärt gewesen, und zwar bis zur Küste im Norden. Der Bericht
enthielt auch eine lange Aufzählung der wichtigsten Industrieanlagen dieser
Gegend. Es gab einige Hinweise - sie stammten vom Rondell, das sich aber
weigerte, die Quelle anzugeben -, daß auf einem Plateau östlich von Wolken eine
neue Raffinerie errichtet würde, und daß die maschinelle Ausrüstung aus
Leipzig geliefert worden war. Es war zwar unwahrscheinlich, aber doch denkbar,
daß das Material auf dem Schienenweg über Kalkstadt befördert worden war. Es
gab weder einen Hinweis auf irgendwelche Veränderungen der Bevölkerung oder
der Industrie noch irgendeinen Vorfall, der auf eine vorübergehende
Absperrung dieser Stadt hätte schließen lassen können.
    Unter
Haldanes Eingängen lag eine Notiz vom Archiv: Man habe die von ihm
angeforderten Akten herausgesucht, er könne sie aber nur in der Bibliothek
lesen, da einige den Geheimhaltungsvorschriften unterlägen. Er ging hinunter,
öffnete das Kombinationsschloß an der Stahltür zum Archiv und tastete vergebens
nach dem Lichtschalter. Schließlich gab er es auf und tastete sich im Dunkeln
zwischen den Regalen hindurch bis zu dem kleinen fensterlosen Raum im
hintersten Teil des Gebäudes, wo die wichtigsten und strengst geheimen
Dokumente aufbewahrt wurden. Es war stockdunkel. Er riß ein Streichholz an,
fand den Schalter und machte Licht. Auf dem Tisch lagen zwei mit rotem Band
verschnürte Aktenbündel. Das eine war die Akte Mayfly, die bereits drei Ordner
füllte und nur einem sehr beschränkten Personenkreis zugänglich war. Eine Liste
der entsprechenden Namen war auf den Deckel geklebt. Das zweite Bündel trug die
Anschrift: >Betrüger (Sowj. und Ostdeutschland), und war eine in
Kartonmappen musterhaft angelegte Sammlung von Papieren und Fotografien. Nach
einem kurzen Blick in die Akte Mayfly wandte Haldane seine Aufmerksamkeit den
Mappen zu und blätterte in der entmutigenden Ansammlung von Schurken,
Doppelagenten und Verrückten, die in jedem denkbaren Winkel der Erde unter
jedem denkbaren Vorwand - und manchmal sogar mit Erfolg - versucht hatten,
die westlichen Nachrichtendienste zu täuschen. Ihre Arbeitsweise war von
langwieriger Gleichförmigkeit: ein Körnchen Wahrheit, das aus Berichten der
Tagespresse und dem Tratsch des Wochenmarktes stammte, wurde mit eigenen
Zufallsbeobachtungen vermischt, die jegliche Sorgfalt vermissen ließen und
dadurch die Verachtung des Betrügers für den Betrogenen verrieten, um sich
schließlich in einem Schwall blühender Phantasie aufzulösen, der mit seiner
schon beinahe künstlerischen Unverschämtheit auch noch die letzte Beziehung
zur Wahrheit zerstörte.
    Einer der
Berichte war durch einen eingelegten Zettel mit Gladstones Initialen
gekennzeichnet, auf dem in behutsamer runder Handschrift vermerkt war: »Könnte
für Sie interessant sein.«
    Es war der
Bericht eines Flüchtlings über Versuche, die angeblich mit sowjetischen Panzern
in der Nähe von Gutsweiler angestellt worden waren. Er trug den

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