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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krieg im Spiegel (Smiley Bd 4)
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seinen Marsch, erhöhe
aber auch seine Sicherheit. Er müsse nach Süden gehen. Der Grund dafür sei
einfach: weiter südlich schwinge die Grenze etwas über zehn Kilometer nach
Westen aus, so daß Leiser in einer halben Stunde nicht zwei, sondern fünfzehn
Kilometer zwischen sich und die Grenze bringen könne und auf diese Weise
schneller aus dem Bereich der die Zugänge zur Grenze bewachenden Streifen
entkomme. Leclerc wolle ihm deshalb den Rat geben - er zog dabei seine Hand aus
der Tasche des Dufflecoats und zündete sich im Bewußtsein, daß aller Augen auf
ihn gerichtet waren, eine Zigarette an -, ungefähr eine halbe Stunde lang nach
Osten zu gehen und sich dann direkt nach Süden zu wenden, bis er den Marienhorster
See erreiche. Am östlichen Ende des Sees befinde sich ein unbenutztes
Bootshaus, wo er sich ein Stündchen hinlegen und etwas essen könne. Er werde
inzwischen vielleicht auch schon Lust auf einen Drink bekommen haben -
erleichtertes Gelächter - und für diesen Zweck werde er ein kleines Fläschchen
Weinbrand in seinem Rucksack finden. Leclerc hatte die Angewohnheit, stramme
Haltung anzunehmen, wenn er einen Witz machte, und dabei die Fersen vom Boden
zu heben, als wolle er seinen Geist in höhere Regionen abfeuern. »Es könnte
wohl nichts mit Gin sein, oder?« fragte Leiser. »An sich trinke ich immer White
Lady.« Einen Augenblick lang herrschte betretenes Schweigen.
    »Ausgeschlossen«,
sagte Leclerc kurz - ganz Leisers Vorgesetzter.
    Nach der
Rast sollte er bis zum Dorf Marienhorst weitergehen und sich nach einer
Transportmöglichkeit Richtung Schwerin umsehen. Von da an, ergänzte Leclerc
obenhin, sei er auf sich selbst gestellt. »Sie haben alle Papiere, die zu einer
Reise von Magdeburg nach Rostock nötig sind. Ab Schwerin sind Sie also auf der
normalen Strecke. Über Ihre Tarnung möchte ich gar nicht mehr viel sagen. Das
haben Sie ja schon alles mit dem Captain durchgenommen. Ihr Name ist Fred
Hartbeck. Sie sind ein unverheirateter Mechaniker aus Magdeburg und haben ein
Arbeitsangebot für die volkseigene Schiffswerft in Rostock.« Leclerc lächelte.
»Ich bin überzeugt, daß Sie all dies bis ins kleinste Detail im Schlaf
beherrschen. Ihre Amouren, Höhe des Lohnes, welche Krankheiten Sie gehabt
haben, Militärdienst und so weiter. Nur eine Kleinigkeit über die Tarnung
möchte ich noch hinzufügen: drängen Sie derartige Auskünfte niemandem
freiwillig auf. Niemand erwartet von seinem
Mitmenschen, daß er irgend etwas von sich aus erklärt. Wenn man Sie in die
Ecke treibt, verlassen Sie sich auf Ihr Fingerspitzengefühl. Immer so nahe wie
möglich an der Wahrheit bleiben.« Und mit erhobener Stimme erklärte Leclerc
eine seiner Lieblingsthesen: »Tarnung sollte niemals freie Erfindung, sondern
immer nur eine Verlängerung der Wahrheit sein.« Leiser lachte verhalten. Es
wirkte so, als wäre ihm wohler gewesen, wenn Leclerc über etwas mehr Körpergröße
verfügt hätte.
    Johnson
kam aus der Küche und brachte Kaffee, wofür ihm Leclerc ein munteres
>Danke, Jack<, zurief, als sei alles genau so, wie es zu sein hatte. Nun
wandte sich Leclerc der eigentlichen Aufgabe Leisers zu. Er schilderte
zusammenfassend die verschiedenen Hinweise, die - wie er durchblicken ließ - nur
einen Verdacht bestärkten, den er persönlich schon längst gehegt habe. Er
schlug dabei einen Ton an, den Avery noch nie bei ihm wahrgenommen hatte: er
bemühte sich, sowohl durch Weglassen und stillschweigende Schlußfolgerungen
wie durch direkte Hinweise auszudrücken, daß sie alle einer ungemein erfahrenen
und bestens informierten Organisation angehörten, die sich nicht nur durch
ihre Geldmittel, sondern auch durch ihre Beziehungen zu anderen Dienststellen
wie durch ihre unfehlbare Urteilsfähigkeit einer derart überirdischen und
hellseherischen Unantastbarkeit erfreute, daß sich Leiser sehr wohl hätte
fragen können, weshalb er sein Leben überhaupt riskieren mußte, wenn das alles
wirklich so war. »Die Raketen befinden sich jetzt in dem bezeichneten Gebiet«,
sagte Leclerc. »Der Captain hat Ihnen bereits auseinandergesetzt, nach welchen besonderen
Merkmalen Sie Ausschau halten müssen. Wir möchten wissen, wie sie aussehen, wo
sie sich genau befinden und vor allem, von welchen Einheiten sie bedient
werden.«

»Ich
weiß.«
    »Sie müssen die üblichen Tricks
anwenden. Horchen Sie in den Kneipen herum, tun Sie so, als suchten Sie einen
alten Kriegskameraden. Sie kennen das ja. Wenn Sie Bescheid wissen,

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