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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krieg im Spiegel (Smiley Bd 4)
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kommen Sie
zurück.« Leiser nickte.
    »In
Kalkstadt gibt es eine Arbeiter-Herberge.« Leclerc entfaltete einen Plan der
Stadt. »Hier, gleich neben der Kirche. Steigen Sie dort ab, wenn's geht. Womöglich
treffen Sie dort Leute, die irgendwie selbst damit zu tun gehabt haben...«
    »Ich
weiß«, wiederholte Leiser. Haldane zuckte zusammen und warf ihm einen
besorgten Blick zu. »Vielleicht hören Sie sogar etwas über einen Mann, der auf
dem Bahnhof gearbeitet hat, einen gewissen Pritsche. Von ihm stammen ein paar
interessante Einzelheiten über die Raketen. Er ist dann wieder verschwunden.
Vielleicht hören Sie etwas, wenn es der Zufall will. Sie könnten am Bahnhof
nach ihm fragen, wenn Sie sich als alter Freund von ihm ausgeben.« Er machte
eine ganz kleine Pause. »Einfach verschwunden«, wiederholte Leclerc. Es galt
den anderen, nicht sich selbst. Seine Gedanken waren woanders. Avery
beobachtete ihn gespannt. Er wartete, daß Leclerc weitersprach. Schließlich
sagte er: »Über die Frage der Nachrichtenübermittlung habe ich absichtlich
nicht gesprochen.« Sein Ton deutete an, daß er fast fertig war. »Ich nehme an,
daß Sie dieses Problem schon oft genug durchgekaut haben.«
    »In der
Beziehung gibt es keinerlei Schwierigkeiten«, sagte Johnson. »Alle Sendetermine
liegen in der Nacht. Dadurch ist der Frequenzbereich eine ganz einfache
Angelegenheit. Und tagsüber hat er freie Hand, Sir. Wir haben eine ganze Reihe
hübscher Probesendungen gemacht - nicht wahr, Fred?«
    »O ja.
Sehr hübsche.«
    »Was das
Zurückkommen betrifft«, sagte Leclerc, »so gelten dafür die gleichen
Vorschriften wie im Krieg. Es gibt für derartige Unternehmungen leider keine
U-Boote mehr, Fred. Wenn Sie zurückkommen, haben Sie sich sofort beim nächsten
britischen Konsulat oder der nächsten Botschaft zu melden. Sie nennen Ihren
richtigen Namen und bitten um Repatriierung. Geben Sie sich als britischer
Staatsbürger in plötzlicher Notlage aus. Rein instinktmäßig würde ich sagen,
daß Sie auf dem gleichen Weg wieder zurückkommen sollten, auf dem Sie
hineingegangen sind. Falls Sie in Schwierigkeiten geraten, dann schlagen Sie
sich nicht unbedingt sofort nach Westen durch, sondern verkriechen Sie sich
irgendwo für einige Zeit. Sie werden genug Geld bei sich haben.«
    Avery wußte,
daß er diesen Vormittag nie mehr vergessen würde, an dem sie um den Tisch in
der Bauernstube gesessen hatten, wie Jungen in einem Zelt, und ihre gespannten
Gesichter Leclerc zugewandt gewesen waren, der in Kirchenstille die Liturgie
ihres Glaubensbekenntnisses verlesen und dabei seine schmalen Priesterhände
über der Landkarte hin und her bewegt hatte, als sei sie das Meßbuch. Alle in
dem Raum Versammelten - und Avery vielleicht am besten von ihnen - kannten den
tödlichen Widerspruch zwischen Traum und Wirklichkeit, zwischen Motiv und Tat.
Avery hatte mit Taylors Kind gesprochen, hatte seine halbfertigen Lügen vor
Peersen und dem Konsul hervorgestammelt. Er hatte das furchterregende Geräusch
eines Schrittes vor seiner Hotelzimmertür gehört und hatte nach seiner
Rückkehr von dieser alptraumartigen Reise gesehen, wie seine eigenen
Erlebnisse in erkennbare Bilder aus Leclercs Welt verwandelt wurden. Und
dennoch lauschte Avery mit der gleichen Frömmigkeit eines Agnostikers, die auch
Haldane und Leiser erfüllte, auf Leclercs Stimme - wahrscheinlich in dem
Gefühl, daß dies alles so war, wie es an einer reinen und magischen Stätte
wirklich sein sollte.
    »Verzeihung«,
sagte Leiser, der den Plan von Kalkstadt studiert hatte. Er wirkte in diesem
Augenblick wie der typische kleine Mann. Es war, als ob er auf einen Defekt an
einem Motor hinwies. Bahnhof, Herberge und Kirche waren grün angezeichnet. In
der unteren linken Ecke des Blattes war eine Detailskizze der Eisenbahnschuppen
und Lagerhallen. Auf jeder Seite war die Himmelsrichtung notiert: Ansicht von
Westen, Ansicht von Norden.
    »Was heißt hier Ansicht, Sir?«
erkundigte sich Leiser. »Die Blickrichtung, die Ansicht.«
    »Wozu ist das? Warum steht das
bitte auf der Karte?« Leclerc lächelte. »Für Orientierungszwecke, Fred.« Leiser
stand auf und untersuchte den Plan noch einmal genau. »Und dies hier ist die
Kirche?«
    »Stimmt, Fred. Das ist die Kirche.«
    »Warum sieht sie nach Norden?
Kirchen stehen doch immer in der Ost-West-Richtung. Hier ist der Eingang im
Osten eingezeichnet, wo der Altar sein müßte.« Haldane beugte sich vor; sein
rechter Zeigefinger lag über seinen

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