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Carre, John le

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Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
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Zwerg
eingeschlossen - und starrten durch den Wasserschleier auf die
unverwechselbare Gestalt Old Craws des Australiers mit seinem alten Etonhut.
Craw stand dicht am Haus unter einem primitiven Vordach, das aussah wie ein
Fahrradschuppen, obwohl nur ein Irrer den Peak hinaufradeln würde. »Craw!« schrien
sie. »Monsignore! Der alte Bastard hat uns abgehängt!«
    Der Regen
prasselte ohrenbetäubend, die Äste schienen unter seiner Gewalt zu krachen.
Luke hatte seinen blöden Hammer weggeworfen. Der zottige Cowboy ging als
erster, Luke und der Zwerg folgten, Deathwish bildete mit seinem Lächeln und
seiner Kamera die Nachhut, hoppelte geduckt dahin, während er blindlings
fotografierte. Der Regen strömte wie aus Eimern, spritzte in roten Bächlein um
ihre Knöchel, während sie Craws Fährte hügelan folgten, wo das Krächzen von
Ochsenfröschen den Höllenkrach noch steigerte. Sie nahmen im Sturm einen Farnkrauthügel,
kamen vor einem Stacheldrahtzaun schlitternd zum Stehen, schlüpften durch die
auseinandergebogenen Stränge und setzten über einen niedrigen Graben. Als sie
bei Craw ankamen, starrte der Alte zur grünen Kuppel hinauf, während der Regen
ungeachtet des Strohhuts ihm flott übers Gesicht und weiterlief und seinen
adretten rostbraunen Anzug in einen schwärzlichen, formlosen Kittel
verwandelte. Er stand wie hypnotisiert da und starrte nach oben. Luke, der ihn
besonders gern mochte, versuchte als erster, Craw in die Gegenwart
zurückzuholen. »Ehrwürden? Heh, aufwachen! Ich bin's: Romeo. Herrjeh, was zum
Teufel ficht ihn an?«
    Plötzlich
bekam Luke Angst und berührte sanft seinen Arm. Aber Craw sprach noch immer
kein Wort.
    »Vielleicht
isser im Stehen gestorben«, ließ sich der Zwerg vernehmen, während der
grinsende Deathwish ihn auf diesen Verdacht hin fotografierte.
    Langsam,
wie ein alter Berufsboxer, rappelte Craw sich auf. »Bruder Luke, wir müssen dir
demütig Abbitte tun, Sir,« murmelte er.
    »Bringt
ihn zurück ins Taxi«, sagte Luke und fing an, ihm einen Weg zu bahnen, aber der
alte Knabe wollte sich nicht von der Stelle rühren.
    »Tufty
Thesinger. Ein guter Spürhund. Keine ausgesprochene Spitzenklasse - dazu ist er
nicht schlau genug -, aber ein guter Spürhund.«
    »Tufty
Thesinger ruhe in Frieden«, sagte Luke ungeduldig.
    »Gehen
wir. Zwerg, verzieh dich«.
    »Stockbesoffen«,
sagte der Cowboy.
    »Sieh dir
mal die Spuren an, Watson«, fuhr Craw nach einer weiteren Denkpause fort,
während Luke ihn am Arm zog und der Regen noch heftiger fiel. »Beachte zunächst
die leeren Kästen über dem Fenster, aus denen zur Unzeit die Klimaanlagen
herausgerissen wurden. Sparsamkeit, mein Sohn, eine empfehlenswerte Tugend,
besonders, wenn ich so sagen darf, bei einem Spion. Siehst du die Kuppel dort?
Schau sie dir genau an, Sir. Kratzspuren. Doch ach! Nicht die Krallen eines
riesigen Hunds, sondern die Kratzspuren von Funkantennen, von fiebrigen weißen
Händen entfernt. Schon mal von einem Spukhaus ohne Antennen gehört? Wäre wie
ein Puff ohne Klavier.« Der Regenguß hatte sich zum Crescendo gesteigert.
Riesentropfen schlugen wie Schüsse rings um sie ein. Craws Gesicht zeigte eine
Mischung aus Gefühlen, die Luke nur erraten konnte. Tief in seinem Herzen regte
sich der Verdacht, Craw könne wirklich am Sterben sein. Luke hatte wenige
natürliche Todesfälle gesehen und war sehr scharf darauf, einen zu erleben.
»Vielleicht haben sie die Bergkrankheit gekriegt und sind weg«, sagte er und
versuchte erneut, Craw zum Wagen zu locken. »Durchaus möglich, Ehrwürden, ja,
durchaus möglich. Ist genau die rechte Jahreszeit für unbesonnene,
kurzgeschlossene Handlungen.«
    »Nach
Hause«, sagte Luke und zog ihn energisch am Arm. »Platz da, ja? Sanitäter!«
    Aber der
alte Mann ließ es sich nicht nehmen, noch einen letzten langen Blick auf das
englische Spukhaus zu werfen, das im Sturm schauderte.
    Der
kanadische Cowboy reichte seine Story als erster ein, und sie hätte ein
besseres Los verdient. Er schrieb sie noch in der gleichen Nacht, während die
Mädchen in seinem Bett schliefen. Er fand, die Story würde sich besser als
Zeitschriftenartikel eignen, nicht als Sensationsmeldung, also baute er sie um
den Peak im allgemeinen und benutzte Thesinger nur als Aufhänger. Er erklärte,
wie der Peak von jeher der Olymp Hongkongs gewesen sei - »je weiter oben man
wohnt, desto höher rangiert man in der Gesellschaft« - und wie die reichen britischen
Opiumhändler, Hongkongs Gründerväter, dort

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