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Carre, John le -Ein Mord erster Klasse (Smiley Bd 2)

Carre, John le -Ein Mord erster Klasse (Smiley Bd 2)

Titel: Carre, John le -Ein Mord erster Klasse (Smiley Bd 2) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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ohne Smiley anzusehen.
    »Wollen
Sie Ihren Mantel ablegen?« Sie wartete, während er umständlich aus dem Mantel
schlüpfte, nahm ihn dann und hängte ihn neben den Van-Gogh-Stuhl. Sie standen
schweigend nebeneinander und blickten zur Tür des Arbeitszimmers.
    Dann, ganz
plötzlich, stand Fielding in der halboffenen Tür, unrasiert und in
Hemdsärmeln. »Um Gottes willen«, sagte er heiser. »Was wollen Sie?«
    »Ich
wollte mich nur verabschieden, Fielding, und mein Beileid aussprechen.«
    Fielding
sah ihn einen Augenblick fest an; er lehnte sich schwer gegen die Türfüllung:
»Also, adieu. Danke für Ihren Besuch.« Er fuchtelte mit einer Hand unbestimmt
umher. »Sie hätten sich wirklich nicht zu bemühen brauchen«, setzte er
unhöflich hinzu. »Sie hätten mir auch eine Karte schicken können, nicht?«
    »Hätte ich
tun können, ja; es schien nur so sehr tragisch, da er so nahe vor dem Erfolg
war.«
    »Was
meinen Sie? Was, zum Teufel, meinen Sie?«
    »Ich meine
seine Arbeit... die Besserung. Simon Snow hat mir alles erzählt. Wirklich
erstaunlich, die Art, wie ihn Rode weitergebracht hat.«
    Ein langes
Schweigen, dann sprach Fielding: »Adieu, Smiley. Danke für Ihren Besuch.« Er
wandte sich zum Studierzimmer zurück, als Smiley rief:
    »Aber
bitte... bitte sehr. Ich nehme an, auch der arme Rode muß sich von diesen
Prüfungsergebnissen aufgekratzt gefühlt haben. Ich meine, es war doch mehr oder
weniger eine Sache von Leben und Tod für Perkins, diese Prüfung zu bestehen,
nicht wahr? Er hätte doch seine Versetzung im nächsten Semester nicht bekommen,
wenn er in Naturwissenschaft durchgefallen wäre. Sie hätten ihn vielleicht
nicht zulassen können, nehme ich an, obwohl er Hauspräfekt war; dann hätte er
nicht zur Aufnahmeprüfung in die Armee antreten dürfen. Armer Perkins, er hatte
Rode eine Menge zu verdanken, nicht wahr? Und sicherlich auch Ihnen, Fielding.
Sie müssen ihm wunderbar geholfen haben... Sie beide, Sie und Rode; Rode und
Fielding. Seine Eltern sollten das wissen. Sie sind ziemlich in Geldnot, höre
ich; der Vater ist Berufsoffizier, nicht wahr, in Singapur? Es muß eine große
Anstrengung bedeutet haben, den Jungen in Carne zu halten. Es wird sie trösten,
zu wissen wieviel für ihn getan wurde, nicht wahr, Fielding?« Smiley war sehr
blaß. »Sie haben das Neueste wohl schon gehört?« fuhr er fort. »Über dieses
elende Zigeunerweib, das Stella Rode getötet hat? Man hat entschieden, daß
sie zurechnungsfähig ist. Ich nehme an, man wird sie hängen. Das wäre dann der
dritte Tod, nicht wahr? Hören Sie, ich werde Ihnen etwas Seltsames erzählen -
ganz unter uns-, Fielding. Ich glaube nicht, daß sie es getan hat. Glauben
Sie's? Ich glaube einfach nicht, daß sie es getan hat.«
    Er sah
Fielding nicht an. Seine kleinen Hände hatte er fest hinter dem Rücken
verschränkt; er stand mit hängenden Schultern da, den Kopf zur Seite geneigt,
als lausche er auf eine Antwort.
    Fielding
schien Smileys Worte wie einen physischen Schmerz zu empfinden. Langsam
schüttelte er den Kopf.
    »Nein«,
sagte er. »Carne tötete sie; es war Carne. Es konnte nur hier passieren. Es ist
das Spiel, das wir spielen: das Ausschließungsspiel. Teile und herrsche!« Er
sah Smiley voll ins Gesicht und schrie: »Nun gehen Sie, um Himmels willen! Sie
haben bekommen, was Sie wollten, nicht? Nun können Sie mich auf Ihr kleines
Brett heften, wie?« Und dann begann er, zu Smileys Qual, in langgezogenen
unbeherrschten Schluchzern zu wimmern, die Hand auf der Stirn. Plötzlich
erschien er grotesk, wie er den kindlichen Tränen mit seiner kreideweißen Hand
Einhalt gebot, die plumpen Füße nach innen gedreht. Sachte lockte ihn Smiley
ins Studierzimmer zurück, sachte setzte er ihn vor das erloschene Feuer. Dann
begann er leise und mitfühlend mit ihm zu sprechen.
    »Wenn es
wahr ist, was ich denke, ist nicht mehr viel Zeit«, begann er. »Ich möchte, daß
Sie mir von Tim Perkins erzählen - von dem Examen.«
    Fielding
nickte, das Gesicht in die Hände vergraben.
    »Er wäre
durchgefallen, nicht wahr? Er wäre durchgefallen und nicht versetzt worden; er
hätte abgehen müssen.« Fielding schwieg. »Nach der Prüfung, an jenem Tag, gab
ihm Rode die Aktenmappe, um sie hierherzubringen, die Mappe, die die Arbeiten
enthielt; Rode hatte in dieser Woche Kirchendienst und kam vor dem Abendessen
nicht nach Hause, aber er wollte die Arbeiten in jener Nacht korrigieren, nach
seinem Essen mit Ihnen.«
    Fielding
nahm die Hände vom

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