Carte Blanche - Ein Bond-Roman
Schluck.
Der Kellner brachte die Vorspeise, und sie aßen. Bond, der dank Gregory Lamb kein Mittagessen gehabt hatte, war regelrecht ausgehungert.
»Womit verdienen Sie Ihren Lebensunterhalt, Gene? Severan hat es nicht gesagt.«
»Ich arbeite in der Sicherheitsbranche.«
»Ah.« Die Stimmung kühlte ein wenig ab. Felicity war eine erfahrene, weltläufige Geschäftsfrau und erkannte den Euphemismus. Sie würde annehmen, dass er auf irgendeine Weise in die vielen Konflikte in Afrika verstrickt war. Krieg, so hatte sie während ihrer Rede gesagt, war eine der Hauptursachen der Geißel des Hungers.
»Ich besitze Firmen, die Sicherheitssysteme installieren und Wachpersonal stellen.«
Sie schien ihm zu glauben, zumindest teilweise. »Ich bin in Südafrika geboren und wohne nun seit vier oder fünf Jahren hier. Ich habe die Veränderungen miterlebt. Die Kriminalität ist nicht mehr so schlimm, wie sie mal war, aber es geht noch nicht ohne Sicherheitsleute. Wir haben auch welche. Wir können gar nicht anders. Als Hilfsorganisation sind wir deshalb nicht weniger gefährdet.« Ihre Miene verfinsterte sich. »Ich verteile die Nahrungsmittel mit offenen Händen. Aber ich lasse sie mir nicht stehlen.«
Um von weiteren Fragen zu seiner Person abzulenken, erkundigte Bond sich nach ihrem Leben.
Sie war im Busch aufgewachsen, in der westlichen Kapregion, als Einzelkind englischer Eltern, der Vater leitender Angestellter eines Bergwerksbetriebs. Als sie dreizehn war, kehrte die Familie nach London zurück. Im Internat wurde sie zur Außenseiterin, gestand sie. »Ich hätte mich vielleicht etwas besser eingefügt, wenn ich nicht mitten im Speisesaal erzählt hätte, wie man eine Gazelle erlegt, ausweidet und zubereitet.«
Dann war sie auf die London Business School gegangen und hatte bei einer großen Londoner Investmentbank gearbeitet, wo sie »ganz passabel« zurechtgekommen sei; die betonte Bescheidenheit ließ vermuten, dass sie mächtig untertrieb.
Doch die Arbeit hatte sich letztlich als unbefriedigend erwiesen. »Es fiel mir zu leicht, Gene. Es gab keine Herausforderung. Ich brauchte einen steileren Berg. Daher habe ich vor vier oder fünf Jahren beschlossen, mich neu zu orientieren. Ich nahm mir einen Monat frei und bin nach Südafrika geflogen. Ich sah, wie verbreitet der Hunger war. Und ich wollte etwas dagegen tun. Alle sagten, die Mühe sei vergebens. Man könne ohnehin nichts bewirken. Tja, das hatte auf mich die gleiche Wirkung wie ein rotes Tuch auf einen Stier.«
»Felicity, der Dickschädel.«
Sie lächelte. »Hier bin ich also nun, bedränge Spender, uns Geld zu geben, und lege mich mit den amerikanischen und europäischen Megafarmen an.«
»Sie haben Mumm, das muss man Ihnen lassen.«
»Die zerstören den Kontinent. Damit dürfen sie nicht durchkommen.«
Das ernste Gespräch wurde unterbrochen, weil der Kellner auf einer eisernen Servierplatte das zischende Steak brachte. Es war außen dunkel und innen saftig. Schweigend aßen sie eine Weile. Als Bond sich ein knuspriges Stück abschnitt, aber zunächst noch einen Schluck Wein trank, war der Bissen urplötzlich von seinem Teller verschwunden. Felicity kaute mit schelmischem Lächeln. »Tut mir leid. Wenn mir etwas gefällt, schnappe ich es mir.«
Bond lachte. »Und ich bin ja ein toller Sicherheitsexperte, dass ich es mir unter der Nase wegnehmen lasse.« Er winkte dem Sommelier und bestellte eine zweite Flasche Cabernet. Bond lenkte das Gespräch auf Severan Hydt.
Leider schien sie nicht viele Einzelheiten über den Mann zu wissen, die Bond bei seiner Mission weitergeholfen hätten. Sie erwähnte die Namen mehrerer seiner Geschäftspartner, die ihrer Gruppe Geld gespendet hatten. Bond prägte sie sich ein. Sie kannte Niall Dunne nicht persönlich, wusste aber, dass Hydt irgendeinen brillanten Assistenten hatte, der alle möglichen technischen Zaubertricks beherrschte. Dann zog sie eine Augenbraue hoch. »Mir wird gerade klar – Sie sind derjenige, welcher.«
»Wie bitte?«
»Sie sind für die Sicherheitsvorkehrungen auf dem Green-Way-Gelände nördlich der Stadt zuständig. Ich war zwar noch nie dort, aber einer meiner Mitarbeiter hat da mal eine Spende abgeholt. All die Metalldetektoren und Scanner. Man darf nicht mal eine Büroklammer mitnehmen, ganz zu schweigen von einem Mobiltelefon. Es muss alles am Eingang abgegeben werden. Wie in diesen alten amerikanischen Western – wer in den Saloon will, lässt den Revolver draußen.«
»Hydts
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