Carte Blanche - Ein Bond-Roman
Fotos schmückten die Zimmer.
Die alte Frau, die mit Jordaan gesprochen hatte, saß an einem großen Esstisch, der für zwei Personen gedeckt war. Sie hatten fast aufgegessen. Die Frau war sehr gebrechlich. Bond hatte sie auf vielen der Fotos in Jordaans Büro gesehen. Sie trug ein weites orangebraunes Kleid und Pantoffeln. Ihr graues Haar war kurz. Sie erhob sich von ihrem Platz.
»Nein, bitte«, sagte Bond.
Sie stand dennoch auf und schlurfte gebeugt ein Stück vor, um ihm mit festem trockenem Griff die Hand zu schütteln.
»Sie sind der Engländer, von dem Bheka erzählt hat. Sie sehen ja gar nicht so schlimm aus.«
Jordaan funkelte sie an.
»Ich bin Mbali«, stellte die alte Frau sich vor.
»James.«
»Ich lege mich jetzt hin. Bheka, gib ihm was zu essen. Er ist zu dünn.«
»Nein, ich muss los.«
»Sie haben Hunger. Ich habe gesehen, wie Sie zu dem Bobotie geschaut haben. Es schmeckt sogar noch besser, als es aussieht.«
Bond lächelte. Er hatte tatsächlich zu dem Topf auf dem Herd geschaut.
»Meine Enkelin ist eine sehr gute Köchin. Es wird Ihnen schmecken. Und dazu gibt es ein Zulu-Bier. Haben Sie schon mal eines getrunken?«
»Ich kenne nur Birkenhead und Gilroy’s.«
»Nein, Zulu-Bier ist das beste.« Mbali warf ihrer Enkelin einen Blick zu. »Gib ihm ein Bier und etwas zu essen. Bring ihm einen Teller Bobotie . Und Sambal-Soße.« Sie sah Bond nachdenklich an. »Mögen Sie es scharf?«
»Ja, sehr gern.«
»Gut.«
»Ugogo, er hat gesagt, er muss los«, widersprach Jordaan aufgebracht.
»Das hat er nur deinetwegen gesagt. Gib ihm ein Bier und was zu essen. Sieh nur, wie dünn er ist!«
»Also wirklich, Ugogo.«
»Typisch meine Enkeltochter. Ein echter Dickschädel.«
Die alte Frau nahm einen Keramikkrug voller Bier, ging in ihr Schlafzimmer und schloss die Tür.
»Geht es ihr gut?«, fragte Bond.
»Sie hat Krebs.«
»Das tut mir leid.«
»Sie hält sich besser als erwartet. Sie ist siebenundneunzig.«
Bond war überrascht. »Ich hätte sie auf Mitte siebzig geschätzt.«
Jordaan ging zu einem abgenutzten CD -Spieler und legte eine Scheibe ein. Sie schien zu fürchten, die Stille mit einem Gespräch ausfüllen zu müssen. Aus den Lautsprechern erklang eine tiefe Frauenstimme, getragen von Hip-Hop-Rhythmen. Bond sah die CD -Hülle: Thandiswa Mazwai.
»Setzen Sie sich«, sagte Jordaan und deutete auf den Tisch.
»Nein, schon gut.«
»Was soll das heißen?«
»Sie brauchen mich nicht zum Essen einzuladen.«
Jordaan schüttelte den Kopf. »Wenn Ugogo erfährt, dass ich Ihnen kein Bier oder Bobotie angeboten habe, wird sie nicht erfreut sein.« Sie brachte einen Tontopf mit Rattan-Deckel zum Vorschein und goss eine schäumende blassrosa Flüssigkeit in ein Glas.
»Das ist also Zulu-Bier?«
»Ja.«
»Hausgemacht?«
»Zulu-Bier ist immer hausgemacht. Der Brauvorgang dauert drei Tage, und man trinkt es, während es noch gärt.«
Bond nippte daran. Es war säuerlich und süßlich zugleich und schien nur wenig Alkohol zu enthalten.
Dann setzte Jordaan ihm einen Teller Bobotie vor und löffelte etwas rötliche Soße darüber. Es sah ein wenig wie Shepherd’s Pie aus, allerdings mit Ei und nicht mit Kartoffeln als oberer Schicht, und es schmeckte besser als jeder Auflauf, den Bond in England je gegessen hatte. Die dickflüssige Soße war gut gewürzt und tatsächlich ziemlich scharf.
»Leisten Sie mir denn keine Gesellschaft?« Jordaan stand an die Spüle gelehnt, die Arme vor der üppigen Brust verschränkt.
»Ich habe bereits gegessen«, sagte sie lapidar und blieb, wo sie war.
Freund oder Feind …
Er aß auf. »Ich muss sagen, Sie sind sehr talentiert – eine clevere Polizistin, die außerdem fabelhaft Bier brauen und« – er nickte in Richtung des Kochtopfes – » Bobotie zubereiten kann. Falls ich das gerade richtig ausgesprochen habe.«
Er erhielt keine Antwort. Fühlte sie sich denn von jedem seiner Worte beleidigt?
Bond schluckte seinen Ärger herunter und ertappte sich dabei, dass er die zahlreichen Familienfotos betrachtete, die an den Wänden hingen und auf dem Kaminsims standen. »Ihre Großmutter muss viele geschichtliche Ereignisse miterlebt haben.«
Sie warf einen liebevollen Blick auf die Schlafzimmertür. »Ugogo ist Südafrika. Ihr Onkel wurde bei der Schlacht von Kambula im Kampf gegen die Briten verwundet – zwei Monate nach der Schlacht am Isandlwana, von der ich Ihnen erzählt habe. Als sie geboren wurde, lag die Gründung der Südafrikanischen
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