Carte Blanche - Ein Bond-Roman
Union aus den Provinzen Kapkolonie, Natal, Oranje-Freistaat und Transvaal erst wenige Jahre zurück. In den Fünfzigerjahren wurde sie unter dem Group Areas Act der Apartheid zwangsumgesiedelt. Und 1960 wurde sie bei einer Protestaktion verletzt.«
»Was ist passiert?«
»Das Sharpeville–Massaker. Sie hat gegen die Passgesetze demonstriert. Unter der Apartheid wurden Menschen von Rechts wegen als weiß, schwarz, farbig oder indisch klassifiziert.«
Bond erinnerte sich an Gregory Lambs Kommentar.
»Um sich in einem ›weißen Gebiet‹ aufhalten zu dürfen, mussten Schwarze einen von ihrem Arbeitgeber unterzeichneten Pass bei sich tragen. Es war erniedrigend, es war schrecklich. Der Protest war friedlich, aber die Polizei hat auf die Demonstranten geschossen. Fast siebzig Leute wurden getötet. Ugogo wurde am Bein getroffen. Deshalb humpelt sie.«
Jordaan zögerte und schenkte sich dann schließlich auch etwas Bier ein. Sie trank einen Schluck. »Ugogo verdanke ich meinen Namen. Sie hat damals meinen Eltern gesagt, wie sie mich nennen sollen, und die beiden haben sich daran gehalten. Für gewöhnlich macht man, was Ugogo sagt.«
»›Bheka‹«, sagte Bond.
»Auf Zulu heißt das ›eine, die über die Leute wacht‹.«
»Eine Beschützerin. Demnach war es Ihnen vorherbestimmt, Polizistin zu werden?« Die Musik gefiel Bond.
»Ugogo ist das alte Südafrika, ich das neue. Halb Zulu, halb Afrikaander. Man nennt uns die Regenbogennation, ja, aber die einzelnen Farben eines Regenbogens sind immer noch voneinander getrennt. Wir müssen wie ich werden, eine Mischung. Es wird noch lange dauern. Aber es wird geschehen.« Sie musterte Bond kühl. »Dann wird es uns möglich sein, Menschen wegen ihres Charakters abzulehnen. Nicht wegen ihrer Hautfarbe.«
Bond hielt ihrem Blick ruhig stand. »Danke für das Essen und das Bier«, sagte er. »Ich sollte mich auf den Weg machen.«
Sie begleitete ihn zur Tür. Er ging hinaus.
In diesem Moment erhaschte er zum ersten Mal einen deutlichen Blick auf den Mann, der ihm aus Dubai gefolgt war, den Mann mit der blauen Jacke und dem goldenen Ohrring, den Mann, der Yusuf Nasad und fast auch Felix Leiter ermordet hatte.
Er stand auf der anderen Straßenseite im Schatten eines alten Gebäudes, dessen Fassade mit arabischen Schriftzeichen und Ornamenten bedeckt war.
»Was ist los?«, fragte Jordaan.
»Ein Feind.«
Der Mann hatte ein Mobiltelefon in der Hand, führte aber kein Gespräch, sondern fotografierte soeben Bond und Jordaan – was ein Beweis dafür sein würde, dass Bond mit der Polizei zusammenarbeitete.
»Holen Sie Ihre Waffe, und bleiben Sie drinnen bei Ihrer Großmutter«, befahl Bond.
Er lief los. Der Mann floh in eine schmale Gasse und rannte in der Abenddämmerung auf den Signal Hill zu.
51
Der Fremde hatte zehn Meter Vorsprung, aber Bond schloss immer mehr auf. Fauchende Katzen und ausgemergelte Hunde ergriffen die Flucht. Ein Kind mit rundem malaysischen Gesicht trat auf die Gasse hinaus und wurde sofort von einer elterlichen Hand zurückgezogen.
Er war noch knapp fünf Meter von dem Angreifer entfernt, als sein Instinkt sich meldete. Bond wurde klar, dass der Mann eine Falle vorbereitet haben könnte. Er sah nach unten. Ja! Der Kerl hatte in dreißig Zentimetern Höhe einen im Dunkeln nahezu unsichtbaren Draht quer über die Gasse gespannt. Eine Tonscherbe markierte die Stelle, und der Angreifer war einfach darüber hinweggesprungen. Bond konnte nicht mehr rechtzeitig anhalten, aber wenigstens noch im letzten Moment reagieren.
Er schob die Schulter nach vorn, und als ihm durch den eigenen Schwung die Beine unter dem Leib weggerissen wurden, fing er die Wucht des Aufpralls mit einem halben Salto ab. Dennoch stürzte er schwer und blieb benommen einen Moment liegen. Er stieß einen Fluch aus, weil der Mann ihm entkommen war.
Doch der Kerl wollte gar nicht fliehen.
Der Draht hatte Bond nicht von der Verfolgung abhalten, sondern angreifbar machen sollen.
Im nächsten Moment war der Fremde über ihm und riss Bonds Walther aus dem Holster. Er stank nach Bier, schalem Zigarettenrauch und Schweiß. Bond sprang auf, packte das rechte Handgelenk des Mannes und drehte es, bis die Waffe zu Boden fiel. Der Angreifer verpasste ihr einen Tritt, sodass auch Bond sie nicht erreichen konnte. Keuchend hielt Bond den rechten Arm des Fremden fest und wich den Hieben seiner Linken so gut wie möglich aus.
Er warf einen Blick über die Schulter und fragte sich, ob Bheka
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