Carte Blanche - Ein Bond-Roman
denkt.«
»Ja, er war recht stolz, dass Hydt ihn so bezeichnet hat.«
»Es gab noch einen anderen Grund, aus dem Dunne in der Nähe von Hydt geblieben ist, nicht wahr?«, mutmaßte James. »Er war dein Fluchtplan, ein mögliches Ablenkungsmanöver.«
Felicity nickte. »Falls jemand misstrauisch werden sollte – so wie du –, konnten wir Hydt opfern. Er war der perfekte Sündenbock, den niemand hinterfragen würde. Deshalb hat Dunne ihn auch davon überzeugt, den Bombenanschlag in York am heutigen Tag stattfinden zu lassen.«
»Du würdest einfach so zehn Millionen Dollar abschreiben?«
»Eine gute Versicherung ist teuer.«
»Ich habe mich immer gefragt, wieso Hydt seinen Plan weiter durchgezogen hat, obwohl ich in Serbien und in March aufgetaucht war. Ich habe meine Spuren zwar sorgfältig verwischt, aber er hat mich hier als Gene Theron weitaus bereitwilliger akzeptiert, als ich das an seiner Stelle getan hätte. Der Grund dafür war, dass Dunne ihm versichert hat, er könne mir trauen.«
Sie nickte. »Severan hat immer auf Niall Dunne gehört.«
»Also war es Dunne, der im Internet die Hinweise auf Noah als angeblichen Spitznamen Hydts platziert hat. Und dass er in Bristol ein eigenes Boot gebaut habe.«
»Richtig.« Die Wut und Enttäuschung stiegen wieder in ihr auf. »Aber verdammt! Warum hast du dich nicht damit zufriedengegeben, sondern nach Hydts Tod weitergemacht?«
Er musterte sie kalt. »Und dann was? Du würdest warten, bis ich neben dir eingeschlafen bin … und mir dann die Kehle durchschneiden?«
»Ich habe gehofft, du wärst der, der du zu sein behauptet hast«, herrschte sie ihn an. »Ein Söldner aus Durban. Deshalb habe ich gestern Abend nachgebohrt und dich gebeten, dich zu ändern. Ich wollte dir die Chance geben, mir zu gestehen, dass du tatsächlich ein Killer bist. Ich dachte, es könnte …« Ihre Stimme erstarb.
»Etwas aus uns werden?« Seine Lippen wurden schmal. »Falls es dich tröstet, das habe ich auch gedacht.«
Schon komisch, dachte Felicity. Sie war zutiefst enttäuscht, dass er sich als einer von den Guten entpuppt hatte. Er musste ebenso enttäuscht sein, dass sie völlig anders war als gedacht.
»Und was hast du nun heute Abend vor? Was ist das Projekt, das wir Vorfall Zwanzig getauft haben?«, fragte er und verlagerte sein Gewicht. Die Handschellen klirrten.
Sie behielt die Waffe auf ihn gerichtet. »Weißt du über die Konfliktherde der Welt Bescheid?«
»Ich höre die BBC «, erwiderte er trocken.
»Als ich noch in der Londoner Bankenwelt gearbeitet habe, haben meine Kunden bisweilen in Firmen mit Sitz in diversen Krisenregionen investiert. Mit der Zeit lernte ich ein Menge über die Verhältnisse in diesen Gegenden, und mir fiel auf, dass sie alle einen kritischen Faktor gemeinsam hatten: Hunger. Wer Hunger hat, ist verzweifelt. Wenn man ihm Nahrung verspricht, tut er alles – er wechselt das politische Lager, zieht in den Kampf, tötet Zivilisten, stürzt Diktatoren oder Demokratien. Alles. Mir wurde klar, dass man Hunger als Waffe benutzen kann. Daher wurde ich eine Art Waffenhändlerin, könnte man sagen.«
»Du bist eine Hungermaklerin.«
Gut ausgedrückt, dachte Felicity.
»Die IOAH kontrolliert zweiunddreißig Prozent der hier eingehenden Ernährungshilfe. Bald werden wir einen ähnlichen Status in mehreren lateinamerikanischen Ländern erreicht haben, dazu in Indien und Südostasien. Falls beispielsweise ein Warlord in der Zentralafrikanischen Republik an die Macht will und mir zahlt, was ich verlange, sorge ich dafür, dass seine Soldaten und Unterstützer ausreichend mit Nahrungsmitteln versorgt werden, während die Anhänger seines Konkurrenten leer ausgehen.«
Er sah sie überrascht an. »Sudan. Das ist es, was heute Abend passieren wird – ein Krieg im Sudan.«
»Genau. Ich stehe mit der Zentralregierung in Khartum in Verbindung. Der Präsident möchte nicht, dass die Östliche Allianz sich abspaltet und einen säkularen Staat gründet. Das Regime im Osten hat vor, die Bindungen zum Vereinigten Königreich zu stärken und sein Öl lieber dorthin zu verkaufen als nach China. Doch Khartum ist nicht stark genug, um den Osten ohne Unterstützung in die Knie zu zwingen. Also bezahlt es mich dafür, Nahrungsmittel nach Eritrea, Uganda und Äthiopien zu liefern. Deren Truppen werden gemeinsam mit den Streitkräften der Zentralregierung im Osten einfallen. Die Östliche Allianz hat keine Chance.«
»Die Tausende von unmittelbaren Opfern, die in
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