Carte Blanche - Ein Bond-Roman
bestand sowohl aus Einheimischen – es war zwischen dem Asr- und dem Maghrib-Gebet – als auch aus etlichen Ausländern, die allesamt Einkaufstüten trugen und sich in den Geschäften drängten, um die Kassen klingeln zu lassen.
Bond mischte sich unter die Leute und sah sich um, als wäre er hier verabredet und würde nach jemandem Ausschau halten. In Wahrheit suchte er nach dem Mann, der ihm vom Flughafen aus gefolgt war, vermutlich mit finsteren Absichten. Er hatte ihn schon zweimal gesehen, mit Sonnenbrille und blauem Hemd oder blauer Jacke: erst am Flughafen und dann in einem verstaubten schwarzen Toyota hinter Bonds Taxi. Für die Fahrt hatte er eine schlichte schwarze Mütze aufgesetzt, aber seine Silhouette und die Form der Brille verrieten Bond, dass er der Mann vom Flughafen war. Derselbe Toyota war nun soeben an dem Einkaufszentrum vorbeigerollt – ganz langsam, ohne erkennbaren Grund – und hinter einem nahen Hotel verschwunden.
Das war kein Zufall.
Bond hatte erwogen, das Taxi einen Umweg fahren zu lassen, doch genau genommen wusste er nicht, ob er den Mann auch wirklich abschütteln wollte. Meistens ist es besser, einem Verfolger eine Falle zu stellen und ihn dann zu verhören.
Wer war das? Hatte er in Dubai auf Bond gewartet? Oder war er ihm irgendwie aus London gefolgt? Oder wusste er vielleicht gar nicht, wer Bond war, sondern hatte sich einfach einen Fremden als mögliches Opfer ausgesucht?
Bond kaufte sich eine Zeitung. Es war heute heiß, sehr sogar, aber er setzte sich nicht etwa in den klimatisierten Innenraum des Cafés, das er sich ausgesucht hatte, sondern an einen der Tische draußen, von dem aus er alle Ein- und Ausgänge der näheren Umgebung im Blick hatte. Vorläufig fiel ihm nichts Ungewöhnliches auf.
Während er mehrere Kurznachrichten verschickte und empfing, kam ein Kellner zu ihm. Bond überflog die ausgeblichene Speisekarte und bestellte einen türkischen Kaffee und ein Mineralwasser. Es war siebzehn Uhr.
Nur noch zwei Stunden, bis irgendwo in dieser eleganten Stadt aus Sand und Hitze mehr als neunzig Menschen sterben würden.
Einen halben Block entfernt von dem Einkaufszentrum steckte ein stämmiger Mann mit blauer Jacke einem einheimischen Verkehrspolizisten mehrere Hundert Dirham zu und sagte auf Englisch, dass es nicht lange dauern würde. Wenn die Leute nach dem Abendgebet zurückkämen, wäre er gewiss nicht mehr da.
Der Polizist schlenderte davon, als hätte das Gespräch über den staubigen schwarzen Toyota, der im Halteverbot am Bordstein stand, nie stattgefunden.
Der Mann namens Nick zündete sich eine Zigarette an und warf sich den Rucksack über die Schulter. Dann näherte er sich im Schatten des Einkaufszentrums seinem Ziel, das völlig arglos Kaffee trank und Zeitung las.
Das war der Mann für ihn: ein Ziel. Kein Mistkerl, kein Feind. Nick wusste, dass man bei einem Vorhaben wie diesem vollkommen leidenschaftslos bleiben musste, so schwer das auch sein mochte. Dieser Mann war ebenso wenig eine Person wie der schwarze Punkt im Zentrum einer Zielscheibe.
Einfach nur ein Ziel.
Er nahm an, dass der Mann durchaus Talent hatte, aber beim Verlassen des Flughafens war er jedenfalls verflucht leichtsinnig gewesen. Nick hatte ihm mühelos folgen können. Das stimmte ihn zuversichtlich für das weitere Vorgehen.
Nicks Gesicht wurde durch eine Baseballmütze mit langem Schirm und eine Sonnenbrille verdeckt. Er näherte sich nun seinem Ziel, huschte von Schatten zu Schatten. Anders als an anderen Orten erregte seine Verkleidung hier keine Aufmerksamkeit; in Dubai trugen alle Kopfbedeckungen und Sonnenbrillen.
Das Einzige, was ein wenig auffiel, war die langärmelige blaue Jacke, wie man sie angesichts der Hitze hier bei kaum jemandem sah. Doch es gab keine andere Möglichkeit, die Pistole zu verdecken, die in seinem Hosenbund steckte.
Auch Nicks goldener Ohrring hätte ihm hier und da ein paar neugierige Blicke eingebracht, aber in dieser Gegend am Dubai Creek mit all den Einkaufszentren und dem Vergnügungspark trieben sich jede Menge Touristen herum, und solange die Leute keinen Alkohol tranken oder sich in der Öffentlichkeit küssten, wurde ihnen die ungewöhnliche Kleidung nachgesehen.
Nick nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette, ließ sie fallen und zertrat sie. Dann näherte er sich weiter seinem Ziel.
Plötzlich tauchte ein Straßenhändler auf und fragte ihn auf Englisch, ob er einen kleinen Teppich kaufen wolle. »Sehr billig, sehr billig. Viele
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